Stellungnahme des GRÜNEN Landesvorstandes am 27. März 2018
Durch die Inhaftierung Carles Puigdemonts am Wochenende in Schleswig-Holstein ist der politische Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens auch zu einer politischen Frage für uns in Schleswig-Holstein geworden. Schnell zeigte sich, dass der Fall komplex ist und eine genaue Kenntnis der Rechtslage erfordert. Eine Politik der schnellen, einfachen Antworten ist hier fehl am Platz.
Vor der politischen Bewertung stehen zwei Grundprinzipien:
1. Es muss alles dafür getan werden, um den Konflikt in Spanien politisch und friedlich zu lösen. Eine Eskalation des Konflikts muss mit allen Mitteln verhindert werden.
2. Die Unabhängigkeit der Justiz darf nicht in Frage gestellt werden. Das Recht auf ein faires Verfahren wird auch im Fall Puigdemont gewährleistet, sodass es keinerlei Anlass für eine politische Einmischung in das laufende Verfahren gibt. Politische Forderungen nach einem bestimmten Ergebnis des Verfahrens schaden der Gewaltenteilung und dem Rechtsstaat.
Dennoch fordert die Inhaftierung eine politische Positionierung. Dadurch, dass Herr Puigdemont nun in Neumünster in Haft sitzt und Spanien die Auslieferung fordert, berührt uns der Katalonien-Konflikt ganz unmittelbar. Spätestens seit Sonntag handelt es sich nicht mehr ausschließlich um einen innerspanischen Konflikt. Durch die Ausstellung von nationalen und europäischen Haftbefehlen gegen Puigdemont und andere Unterstützer*innen der Unabhängigkeit Kataloniens hat die spanische Regierung den Konflikt zugespitzt. Die Demonstrationen in Spanien zeigen, dass ein solches Vorgehen eben nicht zu einer friedlichen Einigung beiträgt.
Weder Deutschland noch die Europäische Union haben sich in der Vergangenheit ausreichend für eine friedliche, politische Lösung des Konflikts eingesetzt. Die größte Aufgabe ist es nun, die politische Debatte in Spanien neu zu beleben und Vermittlungen zwischen den Konfliktparteien zu betreiben. Wir fordern: Politik statt Haftbefehle! Denn eine weitere Zuspitzung der Lage, weckt unweigerlich Erinnerungen an den Jugoslawien-Konflikt mit seiner dramatischen Entwicklung.
Die Bundesregierung, die EU und auch die Vereinten Nationen sind jetzt am Zug um in diesem politischen und Identitätskonflikt zu vermitteln und müssen Engagement zeigen. Ein Europa, das auf Frieden und Demokratie basiert, muss neben dem Bestehen auf der Rechtsstaatlichkeit auch auf Toleranz und Versöhnung hinarbeiten, nicht auf Repression.
Paradox erscheint, dass Herr Puigdemont ausgerechnet in der deutsch-dänischen Grenzregion verhaftet wurde – dort wo die Vielfalt der Identitäten gelebt wird. Schleswig-Holstein zeigt in herausragender Weise, dass eine progressive Minderheitenpolitik funktioniert. Eine Gemeinschaft mit den Minderheiten, die Kirchen, Schulen, Hochschulen und Sprache gegenseitig fördert profitiert davon am Ende als Ganzes. Für dieses Prinzip kultureller Vielfalt auf Basis gemeinsamer Werte stehen wir GRÜNE wie keine andere Partei. Wir werben dafür, aus diesem Prinzip und der Umsetzung in schleswig-holsteinische Minderheitenpolitik neue Impulse für den Katalonien-Konflikt zu nehmen um der politischen Debatte zu nehmen.
Dass es möglich ist, Konflikte zwischen regionalen Bevölkerungsgruppen zu lösen, zeigen auch andere Beispiele der europäischen Vergangenheit. Das Europäische Einigungsprojekt als Friedensprojekt hat im Katalonien-Konflikt eine neue Aufgabe.
Sollte es zu einer Auslieferung kommen, so sehen wir die Bundesregierung in einer besonderen Vermittlerrolle bei der politischen Lösung des Konflikts. Sie müsste dann auch Sorge für einen fairen Prozess tragen. Jedoch bergen eine Auslieferung und mögliche Verurteilung Sprengkraft für eine weitere Eskalation des Konflikts und eine Radikalisierung der Unabhängigkeitsbefürworter.
In der Auseinandersetzung sehen wir sowohl die historischen Hintergründe der Unabhängigkeitsbewegung als auch die wirtschaftsnationalistischen Tendenzen innerhalb dieser Bewegung und viele weitere von außen schwer zu beurteilende Faktoren. Es gilt, das Interesse zwischen dem Streben nach Unabhängigkeit und dem Interesse der territorialen Einheit eines Staates gegeneinander abzuwägen. Dies muss in einem friedlichen und fairen politischen Prozess und nicht in einem juristischen geschehen. Wir stellen uns dabei, wie auch die Grünen in Katalonien, auf keine Seite.
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