LPT 5/2024: Zeitenwende endlich auch finanzpolitisch umsetzen: Schuldenbremse reformieren, Investitionen vorantreiben 6. Mai 202415. Juli 2024 Teil I Der Landesparteitag stellt fest: Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und die größte Volkswirtschaft in Europa. Im Vergleich mit anderen Industriestaaten hat Deutschland mit aktuell ca. 64% eine niedrige Schuldenquote. Innerhalb der G7- Staaten gibt es außer Deutschland kein Land mit einer Schuldenquote von unter 100%, Japan liegt gar bei ca. 260%, der europäische Durchschnitt bei der Schuldenstandsquote liegt bei 83%. Im nationalen historischen Vergleich hatte Deutschland im Jahr 2010 infolge der Finanzkrise eine Schuldenquote von über 80% und damit eine deutlich höhere Schuldenquote als heute. Dieser Trend einer seit 2010 sinkenden Schuldenquote setzt sich aktuell fort und wird unter konservativen Annahmen von 1% realem Wachstum und 2% Inflation pro Jahr voraussichtlich bis 2040 auf 40% sinken, trotz der kurzen Unterbrechung durch die fiskalische Expansion im Zuge der Corona Pandemie. Auch die Zinskosten für 10-jährige Bundesanleihen haben sich nach einem Anstieg seit Beginn des Jahres 2022 wieder abgesenkt und liegen aktuell bei knapp über 2%. In den Jahren vor 2022 waren die Zinsen gar negativ, Deutschland hat also Geld dafür bekommen, sich Geld zu leihen. Im Vergleich mit anderen Industriestaaten kann Deutschland sehr günstig Kredite aufnehmen. So liegen beispielsweise die Zinskosten für die USA aktuell bei ca. 4%. Trotz der vergleichsweise sehr soliden Staatsfinanzen und der nicht in Zweifel gezogenen Tragfähigkeit deutscher Schulden gibt es massive Investitionsbedarfe in die Infrastruktur, das Bildungssystem, die Digitalisierung und die Transformation der deutschen Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität. In den 2010er-Jahren wurden die Investitionen in die deutsche Infrastruktur vernachlässigt. Allein um den staatlichen Investitionsstau aufzuholen, müssten nach einer Schätzung aus 2019 ca. 460 Mrd. € zusätzlich über einen Zeitraum von 10 Jahren investiert werden. Die KfW schätzte im Jahr 2022 die Bedarfe an gesamtwirtschaftlichen Klimaschutzinvestitionen (öffentlicher und privater Sektor) auf eine Höhe von insgesamt rund 5 Billionen EUR bis Mitte des Jahrhunderts. Dies sind knapp 200 Mrd. EUR jährlich an gesamtwirtschaftlichen Klimaschutzinvestitionen. Da der Anteil an staatlichen Investitionen ca. 10 Prozent beträgt, werden allein die öffentlichen Investitionsbedarfe zur Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 auf knapp 500 Mrd. EUR geschätzt. Öffentliche Investitionen hebeln private Investitionen und geben Planungssicherheit. Durch die Transformation hin zur Klimaneutralität werden die Investitionsbedarfe – zusätzlich zu denen, die bereits heute durch fehlende Investitionen in der Vergangenheit bestehen – also noch einmal deutlich erhöht. Die Folgen von ausbleibenden Investitionen spüren wir bereits heute. Als Beispiel für eine marode Infrastruktur gelten neben der Deutschen Bahn und ihrem kaputt gesparten Schienennetz auch die maroden Autobahnbrücken. Auch bei der Digitalisierung hinken wir hinterher. Der Anteil von Glasfaseranschlüssen in Deutschland liegt bei 10% und damit weit unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten von 41%. Außerdem gibt es weiterhin Teile Deutschlands, die über keinen oder nur unzureichenden Mobilfunkempfang verfügen. Ähnlich verhält es sich bei den Themen innere und äußere Sicherheit. Die Bundeswehr ist mit ihrer aktuellen Ausstattung nur eingeschränkt einsatzbereit. Investitionen in Cybersicherheit, Polizei- und Zollbehörden sowie die Infrastruktur der Zukunft wie Netzausbau und Wasserstoffwirtschaft wurden systematisch vernachlässigt. Die letzten PISA- Ergebnisse und weitere Erhebungen zur Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems haben uns zudem ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und besorgniserregende Trends offenbart. Verglichen mit vielen europäischen Nachbarn gibt Deutschland deutlich weniger für Bildung aus: 5,12 % des BIP (2020) im Gegensatz zu Schweden (7,34 %), Dänemark (6,86 %) oder Belgien (6,71 %). Lägen unsere Investitionen in Bildung auf dem schwedischen Niveau, müsste Deutschland jährlich rund 90 Milliarden Euro mehr als bisher ausgeben. Gerade Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, deren Erfolg als rohstoffarmes Land erheblich von klugen und gut ausgebildeten Köpfen abhängt, hat investiv massiven Nachholbedarf. Diese Liste ließe sich weiter fortführen. Wenn wir wichtige Zukunftsinvestitionen weiterhin hinauszögern, stehen die Resilienz unserer Gesellschaft und die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft auf dem Spiel. Andere Länder investieren enorm in Zukunftstechnologien, die den Wohlstand von morgen sichern. Während die Vereinigten Staaten mit dem Inflation Reduction Act ein 369 Milliarden Dollar schweres Innovationspaket geschnürt haben, wirkt die deutsche Schuldenbremse als Wachstums- und Investitionsbremse mit nachhaltig negativen Auswirkungen für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Im internationalen Wettbewerb können wir es uns nicht leisten, uns in der Krise prozyklisch kaputt zu sparen. Der Staat gibt viel Geld für Subventionen aus, die seinen Zielen entgegenstehen. Allein die Höhe an klimaschädlichen Subventionen liegt im mittleren bis hohen zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr. Diese Subventionen fördern weiterhin klimaschädliches Verhalten. Sie bewirken zudem, dass der CO2-Preis nicht seine volle Wirkung entfalten kann. Es gibt aber auch weitere Fehlanreize, die ein Umsteuern in der Steuerpolitik nötig machen. So werden Löhne und Gehälter mit Einkommensteuer und Sozialabgaben deutlich stärker belastet als leistungsloses Einkommen aus Kapitalerträgen, auf das nur 25% Steuer erhoben werden. Auch im Vergleich mit anderen reichen Ländern ist die Belastung von Arbeit sehr hoch. Um für Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite Anreize zu setzen, muss dieses Missverhältnis verringert werden, auch in Hinblick auf den Fachkräftemangel. Da die Erbschaftsteuer direkt in die Haushalte der Länder fließt, kommt ihr zudem bei der Finanzierung von Investitionen auf Landesebene eine hohe Bedeutung zu. Länder und Kommunen sehen sich mit den beschriebenen Herausforderungen in besonderem Maße konfrontiert. Einerseits besteht eine noch größere finanzielle Einschränkung im Vergleich zum Bund, da praktisch keine Spielräume zur Verbesserung der Einnahmen bestehen und die Schuldenbremse den Ländern keine Nettokreditaufnahme über konjunkturellen Schwankungen hinaus ermöglicht. Andererseits besteht auf der Landesebene (z.B. bei der (frühkindlichen) Bildung, bei Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen, dem Schienenverkehr, Investitionen im Gesundheitswesen und der Transformation der Wirtschaft) und der kommunalen Ebene (z.B. Zuwanderung, Infrastruktur) besonders großer Finanzierungsbedarf. Es sind auch die Ebenen, auf denen die Menschen die fehlenden Investitionen der Vergangenheit besonders spüren. Es ist eben unmittelbar erfahrbar, wenn der ÖPNV nicht fährt oder die Schulklos nicht funktionieren. Besonders bemerkbar sind diese fehlenden Investitionen für die jungen Generationen. Die Schuldenbremse wird stetig mit dem Wort „Generationengerechtigkeit“ assoziiert. Dabei zeigen die angeführten mangelnden Investitionen schon jetzt, dass die Schuldenquote nicht der einzige Messwert für Generationengerechtigkeit sein kann. Nicht nur führen die Sparkurse der letzten Jahrzehnte zu immer höheren Infrastrukturschulden für die kommenden Generationen, auch jetzt entstehen bereits Ungerechtigkeiten, unter der die jungen Generationen zu leiden haben. Unterricht im Lernumfeld teils maroder Schulen, bei welchen die Bauart vielerorts nicht mehr den Bedarfen eines modernen Unterrichts entspricht und die Vorbereitung auf unsere digitale Welt bleibt auf Grund mangelnder Digitalisierung auf der Strecke. Infrastrukturmängel im ÖPNV beeinflussen die Mobilität der jungen Generationen, denn diese sind auf gut funktionierende öffentliche Verkehre angewiesen, um eigenständig mobil zu sein. Auch fehlende Investitionen in die Transformation der Wirtschaft wirken sich am stärksten auf die jungen und kommenden Generationen aus, denn diese sichern nicht nur unser Klima und damit unsere Lebensgrundlage, sondern auch unseren Wohlstand. Nur durch Transformation und Anpassung kann die deutsche Wirtschaft von morgen stark und wettbewerbsfähig sein und damit auch ein sicherer und guter Arbeitgeber. Es zeigt: Die Generationengerechtigkeit darf nicht nur theoretisch an der Fiskalpolitik gemessen werden, sondern muss auch praktisch an der Lebensrealität der kommenden Generationen orientiert sein. Notlagen, die ein Aussetzen der Schuldenbremse ermöglichen, enden leider nie am 31.12. des Jahres, in dem sie begannen. Krisen kennen kein Kalenderjahr. Dies nicht im Regelwerk zu berücksichtigen, kann zu über Nacht wegbrechenden Unterstützungsmaßnahmen führen. Problematisch ist auch die Konjunkturbereinigung in ihrer aktuellen Form, da sich die Potenzialschätzung nach der aktuellen Methodik bei großen Schocks an den tatsächlichen BIP Verlauf anpasst und so die Spielräume für Kreditaufnahme sinken. Wir haben in Deutschland also nicht nur einen großen Investitionsstau angehäuft, sondern auch enorme zusätzliche Investitionsbedarfe im Umfang von hohen zweistelligen Milliardenbeträgen pro Jahr bis zur Mitte des Jahrhunderts. Gleichzeitig haben wir eine extrem vorteilhafte Position am Kapitalmarkt, um auch kreditfinanzierte Investitionen zu tätigen, die nicht nur hohe Renditen erwarten lassen, sondern auch unsere Zukunftsfähigkeit sichern. Unsere aktuellen Fiskalregeln lassen es nicht zu, sinnvolle Verschuldungsmöglichkeiten besser für Investitionen zu nutzen. Auch die Länder und Kommunen, denen eine besondere Rolle zukommt, können nur sehr eingeschränkt handeln. Auf Kosten einer übermäßig zurückgeführten finanziellen Schuldenquote drohen massive Infrastruktur- und Klimaschulden für kommende Generationen. Um die Europäische Union bis spätestens 2050 klimaneutral, unsere Wirtschaft global wettbewerbsfähig und unsere Infrastruktur moderner zu machen, müssen wir europaweit in den nächsten Jahren mehrere hundert milliarden Euro investieren. Gute öffentliche Infrastruktur, wie bspw. ins Schienen- oder Stromnetz, ist die Grundlage für ein klimaneutrales Europa. Ohne verstärkte öffentliche Investitionen, werden private Investitionen nicht folgen. Daher setzt sich der Landesverband Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein dafür ein, die notwendige Zeitenwende nun auch finanzpolitisch zu vollziehen. Hierzu muss die Schuldenbremse zügig reformiert werden, um eine Investitionsoffensive in die relevanten Zukunftsbereiche ermöglichen zu können. Darüber hinaus müssen auch steuerliche Fehlanreiz beseitigt und für mehr Steuergerechtigkeit gesorgt werden. Teil II Der Landesparteitag beschließt, Kreditfinanzierte Investitionen: Update der Schuldenbremse für eine zukunfts- und generationengerechte Finanzpolitik Zur Finanzierung der nötigen Zukunftsinvestitionen liegen zahlreiche Vorschläge für eine Reform der Schuldenbremse aus der Breite der Gesellschaft auf dem Tisch. Der Sachverständigenrat hat eine einstimmige Empfehlung vorgelegt und selbst die CDU-Ministerpräsidenten zeigen sich offen für eine Reform der aktuellen Schuldenregeln. Die Vorschläge reichen dabei von einer goldenen Regel für Investitionen über eine Reform der Konjunkturkomponente bis zur Einführung von Übergangsfristen nach Notsituationen. Wir wollen eine ergebnisoffene Diskussion der Vorschläge, um einerseits Deutschlands fiskalische Solidität zu gewährleisten und andererseits den Abbau der Infrastruktur- und Klimaschulden zu ermöglichen. Nur ein Ausbalancieren dieser Ziele ist auf Dauer generationengerecht. Aktuell liegt die Priorität einseitig auf der fiskalischen Solidität, was eine unnötig starke und schnelle Rückführung des Schuldenstandes auf Kosten von (Zukunfts-) Investitionen zur Folge hat. Wir werden uns daher im Bundestag und im Bundesrat dafür einsetzen, die Schuldenbremse zügig zu reformieren und für die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu öffnen. Für einen Deutschland-Investitionsfonds Wir erneuern auch die Forderung nach einem Deutschland-Investitionsfonds für Bund, Länder und Kommunen. Wir wollen gemeinsam mit dem Bund und den Kommunen an einem Strang ziehen und in Deutschland auch kreditfinanzierte Investitionen mobilisieren, die langfristig abgesichert werden. Dies schafft Planungssicherheit für die Transformationsprozesse, die durch den russischen Angriffskrieg und die Klimakrise nötig sind. Für den Zusammenhalt und die Akzeptanz in der Gesellschaft ist es wichtig, dass Schulen und Krankenhäuser modern, Züge pünktlich und Wohnungen erschwinglich sind. Investitionsbedarfe erfassen – für eine zukunftsorientierte InfrastrukturpolitikAls Grundlage für zielgerichtete Investitionen bedarf es eines allumfassenden Überblicks und Monitorings. Aus diesem Grund unterstützen wir die Forderung nach einem regelmäßigen Infrastrukturbericht in Zusammenarbeit von Bund und Ländern, der den aktuellen Leistungs- und Qualitätsstand aller Infrastrukturbereiche sowie die getätigten Investitionen darstellt. Weitergehend soll der Bericht zukünftig eine langfristige Investitionsbedarfsanalyse umfassen. Dies ermöglicht eine Investitionspolitik mit Weitsicht, die zukunftsgerichtete Entscheidungen für eine dauerhafte Qualitätsverbesserung der öffentlichen Infrastruktur trifft und den Nutzen von Infrastrukturprojekten über ihre gesamte Lebensdauer für die heutigen und kommenden Generationen berücksichtigt. Finanzielle Spielräume auf Landesebene erweitern Um Schleswig-Holstein kurzfristig zusätzliche Spielräume für Investitionen zu ermöglichen, wollen wir den ursprünglich vorgesehenen Spielraum für die strukturelle Neuverschuldung der Länder in der Schuldenbremse einführen und Übergangsfristen nach Notsituationen schaffen. Es handelt sich dabei um eine Anpassung der Schuldenregeln für Bund und Länder, die der politischen Realität von Krisen Rechnung tragen würde. Außerdem wollen wir die Möglichkeit zusätzlicher Investitionen durch Gründung landeseigener Infrastrukturgesellschaften nutzen. Aktuell erlaubt die Schuldenbremse den Ländern keine strukturelle Neuverschuldung. Wir wollen die eigentlich vorgesehene – aber im Zuge der Verhandlungen über die Ausgestaltung der Schuldenbremse im Jahr 2009 ausgeschlagene – strukturelle Neuverschuldung von bis zu 0,15% des BIP für die Länder einführen. Ohne diese Verschuldungsmöglichkeit wird den Ländern die Möglichkeit genommen, wichtige Investitionen zu tätigen. Zudem wird der Spielraum für politische Entscheidungen, , deren gesellschaftliche Renditen weit über den zu zahlenden Zinskosten liegen, extrem eingeengt. Die Tragfähigkeit der Landesfinanzen wird bei einer strukturellen Neuverschuldung dieser Größenordnung in keiner Weise beeinträchtigt. Die grüne Landtagsfraktion als regierungstragende Fraktion und die grünen Kabinettsmitglieder werden sich im Parlament wie in der schleswig-holsteinischen Landesregierung dafür einzusetzen, dass die schwarz-grüne Koalition eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringt. Darüber hinaus wollen wir Übergangsregeln nach krisenbedingten Notsituationen einführen. Eine Notsituation endet nicht am 31.12. eines Jahres, sondern läuft mit der Zeit aus und beeinträchtigt auch die Folgejahre. Demzufolge braucht es die Möglichkeit, im Anschluss an eine krisenbedingte Notlage auch in den Folgejahren noch Notkredite aufzunehmen, deren Höhe schrittweise reduziert wird. Damit wäre es möglich, ohne erneut eine Notlage erklären zu müssen Krisenfolgen effektiv weiter zu bekämpfen und zu einer Rückkehr zur Normalität ohne harte Landung zu kommen. Solange die Schuldenbremse noch nicht reformiert ist, ist es richtig, die vorhandenen Verschuldungsmöglichkeiten aktiv zu nutzen. Das Land befindet sich aufgrund der multiplen Krisen und der Maßnahmen zu Bekämpfung nach wie vor in einer finanziellen Notlage befindet. Daher ist es konsequent, dass der Landtag beschlossen hat, auch 2024 mit Notkrediten zu arbeiten. Unser Ziel ist es, das Land weiterhin gut durch die Krisenjahre zu führen und finanzielle Zusagen die – aus Notkrediten finanziert – an die Kommunen gemacht wurden, einzuhalten. Mit den Maßnahmen werden u.a. Krankenhäuser gestärkt, der Ausbau der Schulinfrastruktur und der Ganztagsbetreuung vorangebracht, der ÖPNV unterstützt und die Wärmewende in den Kommunen vorangetrieben. Dass die SPD diese ursprünglich gemeinsam beschlossenen. Maßnahmen nicht mehr mitträgt und gemeinsam mit der FDP eine Klage gegen den Notkredit 2024 prüft, ist ein nicht nachvollziehbarer Kurswechsel der Sozialdemokraten und wird der derzeitigen Verantwortung in Zeiten multipler Krisen nicht gerecht. Investitionen ankurbeln – Gründung landeseigener Infrastrukturgesellschaften Ein weiterer Hebel für zusätzliche Investitions- und Verschuldungsspielräume der Länder sind Infrastrukturgesellschaften im Landesbesitz. Ähnlich wie Defizite der Sozialversicherungen nicht dem Bund und Defizite der Kommunen nicht den Ländern zugerechnet werden, werden Defizite selbstständiger (privat- oder öffentlich-rechtlicher) Einheiten nach Art. 109 Abs. 3 GG nicht der Verschuldung des Landes (oder des Bundes) zugerechnet, wenn sie über eigene Sachaufgaben verfügen. Für die tatsächliche Ausgestaltung einer Infrastrukturgesellschaft sind rechtliche, finanzpolitische und organisatorische Fragen zu klären. Wir wollen daher, dass die Landesregierung ein Konzept entwickelt für zusätzliche Finanzspielräume durch die Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur und anderer Investitionen in landeseigenen Infrastrukturgesellschaften. Investitionsspielräume der Kommunen erhöhen Ein großer Teil der Investitionen für Klimaschutz, Verkehr, Bildung und Kinderbetreuung werden auf kommunaler Ebene entschieden und dort (mit- )finanziert. Für die Kommunen gibt es bisher keine Schuldenbremse. Allerdings müssen kommunale Investitionskredite von der Kommunalaufsicht nach finanzpolitischen Regeln über deren dauerhafte Leistungsfähigkeit genehmigt werden. Diese Regeln sind in Schleswig-Holstein so gestaltet, dass sie die finanziellen Spielräume der Kommunen einschränken. Wir wollen daher die Gemeindehaushaltsverordnung und den erläuternden Erlass überarbeiten mit dem Ziel einer Anpassung der Genehmigungsfähigkeit von kommunalen Investitionskrediten an das, was für eine langfristig finanzierbare Haushaltspolitik auch tatsächlich notwendig ist. Für eine gerechtere Steuerpolitik: Große Vermögen konsequent besteuern, Einkommen entlasten Die Steuerpolitik ist Fundament staatlicher Investitionen. Um diese zu ermöglichen, wollen wir große Vermögen besser besteuern, Lücken in der Besteuerungspraxis schließen und Finanzkriminalität stärker bekämpfen. Gleichzeitig wollen wir kleine und mittlere Einkommen entlasten. Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland besonders hoch. Während die ärmere Hälfte der BürgerInnen praktisch kein Vermögen hat, besitzen die reichsten 10% mehr als doppelt so viel wie die restlichen 90%. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Im Steuersystem spielen vermögensbezogene Steuern jedoch kaum eine Rolle: Die Erbschafts- und Schenkungssteuer macht ca. 1% des Steueraufkommens aus, eine Vermögenssteuer gibt es nicht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Arbeit einen besonders hohen Anteil an der Steuerlast tragen muss. Auch hier ist Deutschland im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Dabei mindert eine starke Belastung von Arbeit die Produktivität einer Volkswirtschaft, da viele ArbeitnehmerInnen weniger arbeiten, als sie eigentlich wollen. Hier wollen wir gegensteuern: Vermögensbezogene Steuern sollen in Zukunft eine größere Rolle spielen; Arbeit wollen wir entlasten. Hier hat die Vermögens- und Erbschaftssteuer eine besondere Relevanz. Dieser wird sie in ihrer aktuellen Form allerdings nicht gerecht, Reformen sind daher dringend notwendig. Da die Einnahmen aus der Schenkungs- und Erbschaftssteuer den Ländern zukommen, stärkt eine Reform insbesondere die Spielräume der Länder. Die Erbschaftssteuer fairer gestalten Die Erbschafts- und Schenkungssteuer besteuert die Weitergabe von besonders großen Vermögen. Mit hohen Freibeträgen wird sichergestellt, dass durchschnittliche Erbschaften steuerfrei bleiben. Auch selbstgenutztes Wohneigentum kann weitestgehend steuerfrei verschenkt oder vererbt werden. Dieses Prinzip wollen wir beibehalten. Die Erbschaftssteuer ist jedoch ein Flickenteppich an Ausnahmen, die ungerecht sind und zu Mindereinnahmen führen. Ein Beispiel dafür ist die Verschonungsbedarfsprüfung bei der Vererbung von Unternehmensanteilen, die es den Empfängern ermöglicht, ihre Steuerlast zu reduzieren. Dies führt zu dem widersinnigen Effekt, dass der Steuersatz auf die größten Erbschaften niedriger ist als auf durchschnittliche Erbschaften. Wir setzen uns für eine konsequente Vereinfachung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer ein. Ausnahmen und Steuerprivilegien für Multimillionenerben gehören abgeschafft. Um die Weitergabe von Unternehmen nicht zu behindern, sollen weitreichende Stundungsmöglichkeiten geschaffen werden, die die steuerliche Belastung über viele Jahre verteilen können. Kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlasten, Spitzensteuersatz erhöhen Wir wollen die große Mehrheit der Erwerbstätigen bei der Einkommensteuer entlasten. Dazu wollen wir den Tarifverlauf so anpassen, dass den VerdienerInnen kleiner und mittlerer Einkommen mehr Netto vom Brutto bleibt. Diese Entlastung finanzieren wir durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für die höchsten Einkommen, so wie es auch der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2022/23 empfohlen hat. Dadurch stärken wir die meisten Haushalte angesichts nach wie vor hoher Preise; gleichzeitig stellen wir sicher, dass Gutverdienende einen angemessenen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Die EU finanziell handlungsfähig machen. Auf europäischer Ebene fordern wir eine investionsfreundliche Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts (EU Schuldenregeln) um allen EU Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu geben stärker in klimagerechte Infrastruktur zu investieren. Mit einem europäischen Investitionsfonds wollen wir über den EU Haushalt Investitionen anschieben. Wir setzen uns für die Besteuerung von exzessiven Übergewinnen von multinationalen Konzernen und von Finanzspekulation ein. Sie sollen als Eigenmittel dem EU Budget zugeführt werden. Die Initiative von den G20 Staaten Brasilien und Frankreich zur einer globalen Mindeststeuer auf extrem hohe Vermögen wird von uns unterstützt.