LPT 5/2024: Krankenhausstrukturreform nutzen – Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein zukunftsfähig machen 6. Mai 202416. Juli 2024 Der Landesverband von B´90/Die Grünen Schleswig-Holstein stellt fest, dass eine Krankenhausstrukturreform längst überfällig ist. Das aktuelle Finanzierungssystem setzt falsche Anreize und die Strukturen, sowie personelle Ressourcen werden nicht optimal eingesetzt. So entsteht ein Gemisch aus Überversorgung an der einen und Unterversorgung an der anderen Stelle. Diese Fehlentwicklungen sind bereits seit mehreren Jahren bekannt, leider hat es bisher an politischen Mehrheiten gefehlt, um diese Missstände zu beseitigen. Die aktuellen Insolvenzverfahren und die Tatsache, dass nur noch die aller wenigsten Krankenhäuser in Deutschland schwarze Zahlen schreiben, geht auch auf genau diesen Reformunwillen der letzten Jahre zurück. Aktuell müssen Krankenhäuser Versorgungsaufträge zurückgeben, Stationen schließen oder Standorte ganz aufgeben, weil das starre Finanzierungssystem nicht länger an die IST-Situation angepasst ist. Wir erleben deshalb seit mehreren Monaten und Jahren ein ungeordnetes Krankenhaussterben, das die Gesundheitsversorgung enorm beeinträchtigt und für das Personal neben der ohnehin schon chronischen Überlastung eine weitere Herausforderung darstellt. Dies dürfen wir uns auch angesichts des demographischen Wandels nicht länger erlauben. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, mit der Krankenhausstrukturreform ein massives Umdenken in der Gesundheitspolitik einzuleiten, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland und Schleswig-Holstein zukunftsfähig zu machen. Umsetzung auf Landesebene in Schleswig-Holstein Der Gesetzgebungsprozess der Krankenhausstrukturreform und die daraus resultierenden Folgen für die Landesebene sind schon jetzt und werden in Zukunft deutlich spürbar sein. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Landes- und kommunaler Ebene bei den nächsten Schritten ist deshalb unbedingt notwendig. Der Landesverband von B´90/Die Grünen Schleswig-Holstein fordert deshalb, dass das Land Schleswig-Holstein weiterhin im Ländervergleich vorangeht und die Strukturreform der Bundesebene im eigenen Land so schnell wie möglich umsetzen möchte. Um für die Krankenhausstandorte, das Personal und nicht zuletzt die Bevölkerung Planungssicherheit zu schaffen, soll so schnell wie möglich auf Basis des neuen Vergütungssystems der neue Krankenhausplan für Schleswig-Holstein aufgestellt werden. Basis dessen sollen die Ergebnisse der von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Versorgungsbedarfsanalyse, sowie die Leistungsgruppen und das Vergütungssystem sein, das die Strukturreform neu einführen wird. Dabei sollen sämtliche Akteur*innen des Gesundheitssystems mit einbezogen werden. sich das Land an dem angekündigten Transformationsfonds von 50 Mrd. Euro zwischen Bund und Ländern beteiligt, um die enormen finanziellen Herausforderungen durch die Strukturreform stemmen zu können. Dazu soll auch geprüft werden, wie die Investitionskostenfinanzierung des Landes möglicherweise auch kreditfinanziert so aufgestellt werden kann, dass sie die notwendigen Zukunftsinvestitionen im Gesundheitsbereich erfüllen kann. Dazu gehört auch die gezielte Anwerbung von Finanzmitteln aus der EU für die klimaneutrale Transformation der Baustruktur und des Krankenhausbetriebs. die sehr komplexen Zusammenhänge der Strukturreform für kommunale und politische Entscheidungsträger*innen, sowie das Personal im Gesundheitswesen auf verständliche Art und Weise aufbereitet werden. Auch die Bevölkerung muss in diesem für die Daseinsvorsorge so entscheidenden Prozess besonders mitgenommen werden – Populismus und Halbwahrheiten seitens der Politik verbieten sich auch aufgrund der hohen Emotionalität vollkommen. sich die Landesregierung weiterhin kritisch und konstruktiv an dem Gesetzgebungsprozess und der Durchführung der Krankenhausstrukturreform beteiligt. Eine weitere Verzögerung oder gar ein Scheitern der Reform darf dabei keine Option sein. Gesetzgebungsprozess auf Bundesebene Der Landesverband fordert die Bundestagsfraktion und die Bundesregierung deshalb dazu auf, eine Vorhaltefinanzierung – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – zu etablieren und dadurch eine Abkehr der leistungsorientierten Fallpauschalen herbeizuführen. Insbesondere in ländlichen Regionen müssen so bestimmte grundversorgende Leistungen auch fallzahlunabhängig finanziert und erhalten bleiben. ein System zu etablieren, dass finanzielle Fehlanreize in der Vergütungsstruktur identifiziert und transparent macht. Aktuell werden in bestimmten Teilbereichen häufig nicht medizinisch indizierte Eingriffe durchgeführt, weil diese besonders gut vergütet werden. Solche Entwicklungen gilt es auch im kommenden Vergütungssystem frühzeitig zu erkennen, um das Wohlergehen der Patient*innen und die Qualität der Versorgung in den Mittelpunkt zu stellen. im neuen Vergütungssystem einen Schwerpunkt auf eine nachhaltigere Therapie zu legen. So ist bspw. seit Längerem bekannt, dass sich der Einsatz von Diätassistent*innen oder Stationsapotheker*innen, sowie abgestimmte Medikation- und Ernährungspläne ausschließlich positiv auf die Dauer der Therapie und damit den Verbleib in stationären Strukturen auswirkt. Dazu gehört auch, dass das Budget pro Patient*in für die Verpflegung im Krankenhaus deutlich angehoben werden muss – denn je besser die Verpflegung, desto höher der Therapieerfolg. Selbiges gilt für die Qualität des Entlassmanagements in ambulante oder häusliche Strukturen, etc. sich weiterhin deutlich für ein Vorschaltgesetz und eine finanzielle Stütze für die Krankenhäuser einzusetzen, um das weitere, ungeordnete Krankenhaussterben zu verhindern. Sehenden Auges den Status Quo zu akzeptieren konterkariert nämlich schlichtweg den eigentlichen Sinn der Strukturreform als solcher, die ja richtigerweise eine geordnete Neustrukturierung unserer Krankenhauslandschaft vorsieht. Sektorengrenzen (Stationär/Ambulant) überwinden und aufeinander anpassen Die große Reform des stationären Sektors darf allerdings nicht verkennen, dass diese auch enorme Auswirkungen auf den ambulanten Sektor haben wird. Der Landesverband stellt daher fest, dass eine Ausweitung und Vergrößerung des stationären Sektors kein Ziel der Krankenhausstrukturreform sein darf. Stattdessen müssen Ambulantisierungs- und Digitalisierungspotentiale voll ausgeschöpft werden. Gerade dort, wo Krankenhausstandorte wegfallen, muss eine Stärkung des ambulanten Sektors erfolgen. Solche Strukturen sind am besten regional gesteuert und beinhalten ganzheitliche Konzepte über den Gesundheitsbereich hinaus. Der Landesverband von B´90/Die Grünen setzt sich deshalb dafür ein, dass durch den Wegfall stationärer Angebote noch größere Löcher in den Versorgungsstrukturen durch alternative ambulante und innovative Konzepte verhindert werden müssen. Dies können Level 1i-Standorte oder andere Versorgungsmodelle, telemedizinisch abgedeckte Regionen oder verbesserte Kooperationen großer Klinikstandorte mit kleineren Strukturen im ambulanten Bereich sein. das Konzept der Gesundheitsregionen für Schleswig-Holstein etabliert wird. Perspektivisch entstehen so über Regionalbudgets perfekt aufeinander abgestimmte Versorgungsangebote, die Prävention in den Mittelpunkt stellen und lokal verwaltet werden und so am besten auf den genauen Bedarf vor Ort angepasst sind. es Pflege- und Gesundheitsfachberufen durch bestimmte Befugniserweiterungen ermöglicht wird, die Patient*innenversorgung in Teilen autonomer und unabhängiger von ärztlichen Verordnungen gestalten zu können. Das Pflegekompetenzgesetz auf Bundesebene geht dabei genau in die richtige Richtung. Hierzu gehört auch die Öffnung des Direktzugangs für Patient*innen zu den verschiedenen Therapieberufen. So werden personelle Ressourcen effizienter eingesetzt und die unterschiedlichen Berufsgruppen des Gesundheitssystems für mehr Menschen attraktiver. durch ein intelligenteres Patient*innenmanagement und eine notwendige Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes wirklich nur diejenigen Patient*innen stationär behandelt werden, die es wirklich brauchen. Neben vielen anderen Gründen sind die überfüllten Notaufnahmen im ganzen Land auch dadurch begründet, dass zu viele Menschen fälschlicherweise und ohne echten medizinischen Notfall dort auflaufen. Abschließend muss allen Beteiligten klar sein, dass die Krankenhausstrukturreform nur der erste von vielen unbedingt notwendigen Schritten hin zu einem funktionierenden und zukunftsfähigen Gesundheitssystem sein kann. Es muss uns gelingen, die Effizienz des Systems so hoch wie möglich zu halten. Dazu muss auch außerhalb des Gesundheitssystems, sei es in der Bildungs- oder Sozialpolitik darauf hingewirkt werden, dass die individuelle gesundheitliche Handlungskompetenz gesteigert und durch ausreichend Prävention und Gesundheitsförderung die Entstehung von Erkrankungen und dadurch die Belastung unseres Gesundheitssytems verringert wird.