LPT 5/2024: Demokratie verteidigen – alle Instrumente nutzen! 6. Mai 202415. Juli 2024 Unsere Demokratie ist in Gefahr. Rechtsextremist*innen und Rechtspopulist*innen wollen sie zerstören. Die AfD radikalisiert sich immer stärker, Umsturz- und Deportationsfantasien werden zunehmend versucht, politisch tatsächlich umzusetzen. Auch über die sozialen Netzwerke bewusst vorgenommene Diskursverschiebungen finden Widerhall: Das Unsagbare wird mehr und mehr, auch für erschreckend große Teile der Mitte der Gesellschaft, sagbar. Aus Worten werden zunehmend auch Taten: Schon jetzt gehören rassistische und antisemitische Übergriffe für viele Menschen – auch in Schleswig-Holstein – längst zum Alltag. Rechtsextremist*innen schüren Angst, verbreiten Hass und Hetze, bis hin zu strafbaren Äußerungen. Sie diskreditieren rechtsstaatliche Institutionen, stellen die freiheitlich demokratische Grundordnung offen in Frage und wollen unsere Demokratie gänzlich abschaffen. Sie bedrohen unsere Freiheit, sie wollen Minderheiten- und Oppositionsrechte angreifen und einschränken. Deshalb müssen wir unsere Demokratie mit allen Kräften verteidigen. Dazu braucht es die Stimmen aller Demokrat*innen und eine starke Zivilgesellschaft: Alle sind aufgefordert, jetzt sichtbar und hörbar Haltung zu zeigen. Im Netz, auf der Straße, bei der Wohnungssuche, in der Schule, bei der Arbeit, in der Familie: Wir müssen zusammenstehen, und Hass und Hetze die Stirn bieten. Demokratie ist eine Form der Gemeinschaft, die miteinander gestaltet, anstatt Einzelne oder Gruppen auszuschließen. Sie ist nicht selbstverständlich, sondern muss jeden Tag aufs Neue gelebt und ausgehandelt werden. Demokratisch Handeln bedeutet, alle Menschen als gleichwertig zu betrachten, zu hören, den Dialog zu suchen, inhaltlich zu ringen und Kompromisse auszuhandeln. Unsere liberale Demokratie ist eine historische Errungenschaft, die uns wehrhaft vor den Feind*innen der demokratischen Ordnung schützt, die auf der Würde aller Menschen gründet und deshalb auch, und gerade in Krisen, alle Menschen mitdenkt. Unsere Überzeugungen von Liberalität, Zukunftssicherheit, Menschenwürde und demokratischer Wehrhaftigkeit basieren auf einem Grundgesetz, das uns nicht nur verpflichtet, Sicherheit zu organisieren, sondern das uns hierbei auch konkret leitet. Die Würde des Menschen aus Art. 1 Abs. 1 GG zu achten und zu verteidigen, muss Kern aller Politik sein. Schutz vor Demokratiefeindlichkeit – für eine offene Gesellschaft! Die größte Bedrohung für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus. Dabei beobachten wir seit vielen Jahren eine Entgrenzung: Verfassungsfeindliche Einstellungen sind in Teilen der Gesellschaft verbreitet und kein Phänomen eines definierbaren Randmilieus. Doch längst verharren extrem rechte Einstellungen nicht mehr in den eigentlichen rechtsextremistischen Strukturen, sondern organisieren und artikulieren sich immer sichtbarer: Reichsbürger*innen, völkische Siedler*innen, Querdenker*innen, die AfD, die Junge Alternative, die Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die AfD ist längst zum parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus geworden – auf kommunaler wie auf Landes- und Bundesebene. Dabei zielt rechtsextremistische Ideologie bewusst auf das Zerstören von Vertrauen: Während rechtsextremer Terror und rechtsextreme Netzwerke die Institutionen der Demokratie angreifen, bedrohen Rassismus und Menschenfeindlichkeit Menschen in ihrem Alltag. AfD und andere Rechtspopulist*innen versuchen bei jeder Gelegenheit, das Unsicherheitsgefühl der Menschen zu adressieren. Dem stellen wir uns entschlossen entgegen. Auf allen Ebenen wehrhaft sein Viele Menschen in Schleswig-Holstein gehen immer wieder auf die Straße, um sich gegen diese Entwicklungen zu wehren. Wir wollen alle Anstrengungen unternehmen, um für unsere Demokratie zu kämpfen und sie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verteidigen. Dabei geht es immer um ein Zusammenspiel von Politik, Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden. Um wirksam gegen rechtsextreme Ideologien vorzugehen, stärken wir zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, den Kampf gegen Antisemitismus, wir stärken politische Bildung, die Arbeit der Gedenkstätten und wir stellen Schleswig-Holstein rassismuskritisch auf. Wir setzen uns dafür ein, dass im Bund und im Land die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um unsere Bemühungen zur Demokratieförderung und Antidiskriminierungsarbeit noch weiter zu stärken. Alle Instrumente der wehrhaften Demokratie in den Blick nehmen Die zunehmende Radikalisierung der AfD ist vor dem Hintergrund der Wahlprognosen eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie . Anfang des Jahres hat das Recherchemedium Correctiv ein Treffen von AfD-Mitgliedern und anderen Rechtsextremist*innen aufgedeckt, aber dieses Treffen ist kein Einzelfall. Immer wieder treffen sich Rechtsextremist*innen, um Strategien zur konkreten Umsetzung ihrer menschenverachtenden Ziele und Vorhaben zu entwickeln. Die Verstrickungen zwischen der AfD und rechtsextremen, teils gewaltbereiten Personen und Strukturen werden immer sichtbarer. Die bekannt gewordenen Pläne und zahlreichen Äußerungen von Funktionär*innen und Parteimitgliedern sind rassistisch, demokratiefeindlich und verfassungswidrig. Die Demonstrationen gegen das Erstarken des Rechtsrucks in den vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Mehrheit in unserem Land für Toleranz, Vielfalt und Demokratie steht. Viele Menschen haben zum ersten Mal in ihrem Leben demonstriert. Es haben sich breite Bündnisse gebildet, z.B. in der Wirtschaft und im Sport. Es wurde zu spontanen Kundgebungen und Demos in großen und kleinen Orten aufgerufen. Wir alle haben deutlich gezeigt, dass wir gemeinsam die Brandmauer sind und unsere Demokratie entschlossen verteidigen. In Umfragen für die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst diesen Jahres liegt die AfD mit rund 30 Prozent vorn. Und das, obwohl die AfD Landesverbände von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom Verfassungsschutz bereits als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurden und die Brandenburger AfD ebenfalls als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist. Es ist wichtig, dass wir alle Instrumente der wehrhaften Demokratie und unseres Rechtsstaats gegen die Feind*innen unserer Verfassung nutzen. Ein Baustein kann sein, ihnen ihre finanziellen Mittel zu streichen. Dafür wollen wir, sofern rechtliche Möglichkeiten bestehen, die Förderung durch öffentliche Gelder an die AfD und AfD-nahe Vereine sowie ihr nahestehende Stiftungen verhindern. Wir müssen die Finanzierung von rechtsextremen Strukturen austrocknen, denn so schwächen wir ihre Bildungs- und Vernetzungsarbeit. Rechtsextreme Finanzströme müssen stärker als bisher aufgeklärt und verfolgt werden. Um unsere Demokratie zu schützen, ist es erforderlich, dass wir Verfassungsfeind*innen konsequent entwaffnen. Wir haben in diesem Bereich gute Rahmenbedingungen geschaffen, die wir jetzt entschlossen anwenden und umsetzen werden. Mit der Reform des Bundesdisziplinarrechtes sind wir einen Schritt weiter beim Schutz unseres Rechtsstaates. Wir zeigen, dass wir keine Rechtsextremist*innen im öffentlichen Dienst dulden. Auch auf Landesebene wollen wir das Disziplinarrecht dementsprechend ändern. Die Wehrhaftigkeit unserer Verfassungsorgane auf Landes- und Bundesebene wollen wir stärken und werden hierzu nötigenfalls entsprechende gesetzliche Änderungen auf den Weg bringen. Hierbei fordern wir auch, notwendige Änderungen des Grundgesetzes vorzunehmen. Politische Bildung gegen Rechtsextremismus stärken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein bekräftigen die Forderungen der Beschlüsse „Politische Bildung in Schleswig-Holstein stärken“ des Landesparteitages aus November 2019 und „Verschwörungserzählungen keine Plattform bieten!“ aus Januar 2020. Unser Fokus muss unverändert auch auf der inhaltlichen Arbeit gegen Rechtsextremismus liegen. Eine stabile Zivilgesellschaft mit starken Initiativen gegen Rechtsextremismus, gute und dauerhaft etablierte politische Bildung, die im Bildungssystem und im Alltag der Menschen Wirkung entfaltet sowie eine lebendige und vielfältige Demokratie sind die Grundpfeiler dieser Arbeit. Um langfristig etwas gegen Rechtsextremismus, Desinformation, Fake News und Verschwörungserzählungen zu unternehmen, ist politische Bildung unersetzlich. Denn politische Bildung ist essenziell, um kritisches Denken hinsichtlich politischer und wissenschaftlicher Sachverhalte anzuregen. Wir betonen, dass politische Bildung nicht nur eine Bedeutung für junge Menschen hat, sondern sich insbesondere auch an ältere Menschen richten muss. Expert*innen sehen diese Bevölkerungsgruppe als besonders gefährdet für Desinformationskampagnen an, weshalb wir uns für einen stärkeren Fokus von Informationskampagnen und Bildungsangeboten auf ältere Menschen aussprechen. Demokratiebildung stellt die zentrale Säule der Wertebildung an Schulen dar. Wir wollen, dass Demokratiebildung fächerübergreifend weiter gestärkt wird und dadurch einen höheren Stellenwert bekommt. Das Erlernen von kritischem Denken muss an Schulen und anderen Bildungsorten ein zentraler Baustein von Bildung sein. „Wir möchten Lehrkräfte dabei stärken, Position für Demokratie und Rechtsstaat zu beziehen. In Schulen muss zwar selbstverständlich eine Parteipolitisch Neutralität herrschen, das Schulgesetz schreibt den Lehrkräften jedoch keine Neutralität gegenüber verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Auffassungen und Ideologien vor. Vielmehr soll auch in Schulen eine Erziehung zu Demokratie und den Werten des Grundgesetzes erfolgen. Um diesem Ziel gerecht zu werden, fordern wir die Grüne Landtagsfraktion als Teil der Landesregierung auf Schulleiter*innen und Lehrer*innen in der Umsetzung des Beutelsbacher Konsenses zu unterstützen. Diese hat bereits im Erlass zur politischen Bildung in Schulen vom 06.07.2016 seinen Niederschlag gefunden. Der Beutelsbacher Konsens beinhaltet das Verbot Schüler*innen eine Meinung aufzudrängen. Zudem müssen wissenschaftlich und gesellschaftlich kontroverse Meinungen auch als solche behandelt werden. Hinzu kommt, dass Schüler*innen zum eigenen politischen, sozialen Handeln und zum Bilden eigener kritischer Meinungen angeregt werden sollen.“ Es darf nicht nur in der Schule angesetzt werden. Vielmehr müssen für alle Altersgruppen Angebote geschaffen werden, um politische Bildung generationenübergreifend zu fördern und langfristig zu etablieren. Insbesondere Stiftungen und Verbände, die sich kritisch mit Verschwörungserzählungen, Rechtsextremismus und -populismus auseinandersetzen, müssen in ihrer Arbeit unterstützt werden, ohne dass ihre Unabhängigkeit gefährdet wird. Wir GRÜNE stehen gemeinsam mit allen Demokrat*innen zusammen und werden weiterhin auf allen Ebenen eine klare Haltung für unsere Demokratie beweisen. Auf der Straße, in den sozialen Medien, im Betrieb und in den Parlamenten, egal ob auf kommunaler, Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene. Gemeinsam sind wir stark im Kampf gegen Rechtsextremismus.