LPT 9/2023: Schuldenbremse reformieren – für eine sozial gerechte ökologische Transformation

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein setzen sich für eine Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz und in der Landesverfassung ein. Ziel ist es, dass zur Finanzierung von Investitionen in eine nachhaltige und soziale Infrastruktur auch die Aufnahme von Krediten ermöglicht wird. Der Erhalt und die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Zudem sind Investitionen in Vermögenswerte und Wachstumschancen ein zentraler Baustein für die Zukunftschancen künftiger Generationen.

Für das Erreichen dieses Ziels sind bundesweit hohe Milliardenbeträge notwendig. Diese Mittel können nicht aus den jährlichen Haushalten finanziert werden, zumal
Deutschland in den letzten Jahrzehnten deutlich zu wenig investiert hat und wir an vielen Stellen erheblichen Nachholbedarf haben. So besteht insbesondere im
Hochschul- und Krankenhausbereich, aber auch bei Kitas und Schulen, ein hoher Investitionsbedarf, auch wenn in den letzten Jahren erheblich mehr investiert wurde als in der Zeit davor. Zudem stellt uns die Aufgabe der ökologischen Transformation zur Erreichung der Klimaziele und die u.a. dafür zwingend notwendige Digitalisierung vor maximale Herausforderungen.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein setzen sich daher für eine Änderung des Grundgesetzes ein. Damit soll es den Ländern ermöglicht werden, dass sie – so wie der Bund – die Möglichkeit erhalten, sich unabhängig von Notsituationen und konjunktureller Entwicklung in einer am BIP und am Wirtschaftswachstum orientierten Höhe verschulden dürfen.

Wir streben eine Reform der Schuldenbremse an, die ein Augenmaß bei konsumtiven Ausgaben wahrt, die durch die Einnahmenseite gedeckt sein sollten. Zugleich benötigen wir dringend, auch aus volkswirtschaftlichen Gegebenheiten, die Möglichkeit, für zukunftsweisende Investitionen Kredite aufnehmen zu können.

Uns geht es nicht um eine ersatzlose Streichung der Schuldenbremse. Eine ungebremste Verschuldung zu Lasten künftiger Generationen wäre gerade vor dem Hintergrund der steigenden Zinsen nicht verantwortbar. Wir wollen insbesondere die aktuellen Herausforderungen der ökologischen Transformation engagiert, beschleunigt und sozial ausgewogen anpacken.

Ziel einer Reform der Schuldenbremse ist es, die Aufnahme von Krediten zu ermöglichen, um die Klimaziele zu erreichen, Artenschutzprogramme auf den Weg zu bringen und die , die notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen umzusetzen und einen Digitalisierungsfonds aufzulegen. Damit werden im Haushalt Mittel frei, um auch die übrige Infrastruktur des Landes in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen.

Deshalb werden wir uns auch weiterhin für eine entsprechende Reform der Schuldenbremse sowie für eine angemessene Besteuerung hoher Einkommen und großer Vermögen einsetzen.

Eine Reform der Schuldenbremse ist nur im Rahmen einer Änderung des Grundgesetzes umsetzbar. Dazu braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Dafür werden wir auch weiterhin werben.

Zudem setzen wir uns dafür ein, zur Finanzierung der Energiewende sowie zur Modernisierung und Sanierung der Infrastruktur und der beschleunigen Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Land bestehende Finanzierungsmöglichkeiten zu nutzen. So können wir uns u.a. die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft vorstellen, die mit Krediten vorfinanziert.

Weiterhin setzen wir uns dafür ein, zur Erreichung der Klimaziele mit weiteren Notkrediten zu arbeiten. Länder wie das Saarland, Bremen und Berlin haben dazu relevante Beschlüsse gefasst. Zur Frage der Verfassungskonformität dieser Klimafonds gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Unser Vorschlag ist, die Möglichkeit, kreditfinanzierte Klimafonds mit Notkrediten zu finanzieren, rechtlich abzusichern. Dieses könnte durch eine Klarstellung im Grundgesetz umgesetzt werden. Ziel ist es, dass Notkredite nicht nur zur Behebung von Schäden (Notsituation, z.B. Schäden durch Überschwemmungen) eingesetzt werden können, sondern auch dazu, Schäden zu vermeiden, indem in Klimaschutz und Klimaanpassung investiert wird.

Begründung:

Schon vor der Einführung der Schuldenbremse hat sich in Deutschland über mehrere Jahrzehnte hinweg ein enormer Investitionsstau aufgebaut. Die alte Regel, dass sich der Staat in Höhe der Investitionen verschulden darf, hat zum einen zu hohen Schulden und zugleich zu einem hohen Sanierungsstau geführt, da es keine qualitativen Kriterien für Investitionen gab. Zudem sah das alte Regelwerk keine Verschuldung für konjunkturelle Einnahmeschwankungen vor. Dieses führte dazu, dass die Aufstellung von Haushalten in angespannten Wirtschaftslagen extrem herausfordernd war.

Die im Grundgesetz neu verankerte Schuldenbremse – die seit 2020 gilt – ermöglicht drei Varianten der Verschuldung:

• In Notsituationen können Kredite aufgenommen werden. Davon hat auch SH in der Pandemie und im Zusammenhang mit den inflationsbedingten Kostensteigerungen aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Gebrauch gemacht. Dabei wird ein Teil der Kreditaufnahme eingesetzt, um unser Land beschleunigt von fossilen Energieträgern und autoritären Staaten unabhängig zu machen, u.a. durch verbindliche Planung der Kommunalen Wärmewende.
• Wenn die Konjunktur schwächer als „normal“ ist, können Kredite zum Ausgleich der Einnahmeausfälle aufgenommen werden. Davon macht z.B. Schleswig-Holstein 2023 in Höhe von rund 450 Mio. Euro (Zahl prüfen) Gebrauch.
• Die im Rahmen des EU-Fiskalvertrags von 2012 zulässige gesamtstaatliche Verschuldung liegt p.a. bei 0,5 Prozent des BIP. Der Bund darf davon 0,35 Prozent in Anspruch. die Länder haben auf die Möglichkeit verzichtet, 0,15 Prozent in Anspruch zu nehmen. Das wäre für Schleswig-Holstein allein ein Spielraum von 180 Mio. Euro. Für die Länder gilt die Vorgabe, dass Haushalte ohne neue Schulden aufgestellt werden müssen.

Diese Elemente weiterzuentwicklen ist notwendig, damit der Staat handlungsfähig bleibt und die Zukunftsaufgaben finanzieren kann.

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