Die Klimakrise stellt Deutschland auch beim Ausbau der Infrastruktur vor extreme Herausforderungen. Ohne den schnellen Ausbau von Leitungs-, Schienen- und Transportinfrastrukturen wird Deutschland die dringend notwendige Verkehrswende und die sektorenübergreifende Energiewende nicht erfolgreich gestalten können.
Voraussetzung für einen erfolgreichen Ausbau dieser Infrastrukturen sind auch beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren. Anders als unsere politischen Mitbewerber*innen setzen wir nicht auf die Beschneidung von Beteiligungsrechten und rechtlichen Überprüfungsmöglichkeiten, sondern auf die Hebung der Effizienz im gesamten Planungsprozess, auf Professionalisierung und Digitalisierung. Wir sind uns sicher, dass populistische Forderungen den Herausforderungen dieser Zeit weder angemessen sind, noch zu ihrer Lösung beitragen.
Wir Grüne sagen auch klar, dass die konsequente Berücksichtigung und Umsetzung der völkerrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben – beispielsweise im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes – Voraussetzung ist für eine erfolgreiche Planung. Sie gewährleistet die Einhaltung von Mindeststandards und sichert das Vertrauen der Bevölkerung in Planungsverfahren. Wir sehen die Berücksichtigung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes sowie der betroffenen Bürger*innen nicht als Hindernis für eine erfolgreiche Planung, sondern als Voraussetzung.
Wir setzen uns deshalb für eine verantwortungsvolle, rechtsstaatliche und wirksame Beschleunigung von Planungsverfahren ein. Mit den folgenden Maßnahmen wollen wir Grüne eine substanzielle und tatsächliche Beschleunigung von Planungsverfahren erreichen:
- Beteiligung als Faktor für das Gelingen von Planungsvorhaben verstehen und gestalten:
Schleswig-Holstein hat unter anderem beim Bau der Westküstenleitung vorgemacht, wie ein vorgezogenes Bürgerbeteiligungsverfahren dazu beitragen kann, offene Fragen im Voraus zu klären, zusätzliche Aspekte und Informationen in das Verfahren einfließen zu lassen und damit sowohl die Akzeptanz für ein Vorhaben zu steigern, die Qualität der Planung zu verbessern, als auch beispielsweise innovative kleinräumige Alternativen zu erarbeiten. Dies hat unmittelbar zu einer Beschleunigung des Gesamtvorhabens beigetragen.
Wir schlagen bundesweit einheitliche Leitlinien für eine frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungsverfahren vor. Die Leitlinien sollten auch konkrete Vorschläge zur Organisation von Planungsverfahren beinhalten.
Die Beteiligung von Verbänden, Institutionen sowie Bürger*innen stellt auch nach frühzeitigen Beteiligungsverfahren noch einen zentralen Bestandteil des Gesamtverfahrens dar. Wir fordern, dass sie nicht zum Selbstzweck erklärt wird, sondern als immanenter Bestandteil von Planungsverfahren mit dem Ziel der Verbesserung des Planungsbeschlusses erkannt und gelebt wird.
- Behörden bestmöglich für erfolgreiche Planungsverfahren ausstatten
Voraussetzung für eine gute behördliche Begleitung von Planfeststellungsverfahren ist eine ausreichende Personalausstattung der zuständigen Behörden. Immer wieder führt ein Mangel an Personal zu längeren Planungszeiten. Wir fordern deshalb, dass die Besoldungsstrukturen und Personalkapazitäten dahingehend angepasst und erweitert werden. Es ist richtig, dass das Land mit dem dualen Studium für Bauingenieur*innen auch das Ausbildungsangebot verbessert hat.
Darüber hinaus sind für den Austausch zwischen den Behörden und den einzelnen Abteilungen neue Konzepte notwendig, um die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Fachbereichen der Planungsbehörde zu verbessern. Damit soll dazu beigetragen werden, die Planungen auch von behördlicher Seite frühzeitig gesicherter zu gestalten.
Ein weiterer Baustein ist die Beteiligung bzw. die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Anlaufstelle des Bundes, der BIM Deutschland – Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens. Ziel ist es, dass das Land Schleswig-Holstein eine Vorreiterrolle im neuen Standard Building Information Modeling (BIM) einnimmt und sich für ein Pilotprojekt im Bereich erneuerbare Energien einsetzt.
Für eine Beschleunigung der Planungsverfahren muss zudem die Finanzmittelausstattung der Planungsverfahren dahingehend verbessert werden, dass bereits im Rahmen der vorgezogenen Bürgerbeteiligung zu ausgewählten Fragestellungen auch unabhängige Gutachten in Auftrag gegeben werden können. Dadurch erhöht sich die Akzeptanz der externen Expertise gegenüber einer Situation, in der die Beauftragung durch den Vorhabenträger erfolgt und kritische Fragen können im Voraus des Planungsprozesses transparent geklärt werden.
Geprüft werden sollte ferner, wie Gutachten generell über die Planungsbehörde / die öffentliche Hand vergeben werden können.
- Synergien heben durch die Zusammenlegung von Raumordnungsverfahren und frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung
Wir fordern zudem, dass künftig eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungs- und Genehmigungsvorhaben im Infrastrukturbereich zeitgleich mit einem Raumordnungsverfahren durch die gleiche Behörde durchgeführt werden sowie das Raumordnungsverfahren mit dem Planungsverfahren zusammengelegt werden kann. Durch die zeitgleiche und durch eine Behörde koordinierte Durchführung der beiden Verfahren können Synergieeffekte geschaffen und Doppelprüfungen (z. B. im UVP-Bereich) vermieden werden.
- Stichtagsregelungen anwenden und damit Rechtssicherheit für die Planungsbehörden schaffen:
Es ist richtig und begründet, dass für bestimmte Bereiche Stichtagsregelungen hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsgrundlage gelten. Dies kann jedoch nicht für alle Bereiche und unbegrenzte Zeiträume gelten.
Wir fordern, bei Planungsverfahren, die sich über mehrere Jahre ziehen, die Stichtage einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und ggf. zu aktualisieren. Immer wieder ändern sich rechtliche Rahmenbedingungen, der Stand der Wissenschaft und Technik oder der ökologische Zustand der betroffenen Gebiete. Da als maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Planung der Zeitpunkt gilt, zu dem der Planfeststellungsbeschluss gilt, kann die Anpassung der Planung an aktualisierte Vorschriften dazu führen, dass teilweise jahrelange Vorarbeiten wertlos sind und angepasst werden müssen. Wir fordern, dass die Bundesregierung eine Liste der Fachgesetze vorlegt, bei denen durch eine Überarbeitung der Stichtagsregeln eine Beschleunigung verantwortbar erreicht werden kann. Die für die einzelnen Planungsvorhaben zuständige Behörde muss künftig in eigener Zuständigkeit über die konkrete Anwendung von Stichtagesregelungen final entscheiden.
- Digitalisierung der Planungsunterlagen und -verfahren für Transparenz, Bürgerfreundlichkeit und Effizienz:
In der Digitalisierung von Planungsunterlagen und Elementen des Planungsverfahrens sehen wir eine große Chance zur Beschleunigung der gesamten Planungsverfahren. Beispielsweise die Auslegung der Planunterlagen kann dadurch erleichtert und bürgerfreundlicher gestaltet werden.
Wir fordern, dass perspektivisch alle Unterlagen zum Planungsvorhaben in einem einheitlichen, standardisierten digitalen Format vorliegen bzw. eingereicht werden können. Vorzugsweise sollten die Systeme kompatibel und verzahnt sein mit dem UVP-Portal des Landes. Damit soll beteiligten Verbänden, Institutionen und Bürger*innen das Einsehen der Unterlagen erleichtert und den Planungsbehörden das Bearbeiten erleichtert werden.
Wir begrüßen, dass das Land bereits an der Digitalisierung von Planungsverfahren arbeitet und damit die Grundlage für die digitale Bereitstellung und Einreichung von Unterlagen sowie Beteiligung am Verfahren legt.
Wir fordern, dass auch bei der Digitalisierung von einzelnen Verfahrensschritten – wie beispielsweise während der Corona-Pandemie mit der digitalen Durchführung von Erörterungsterminen erfolgt – weiterhin sichergestellt wird, dass diese diskriminierungsfrei durchgeführt werden können und alle Bürger*innen Zugang erhalten.
- Artenschutz und Individuenschutz gewährleisten:
Eine Abschwächung der Belange des Arten- und Naturschutzes lehnen wir ab. Sie ist für schnellere Planungsverfahren nicht notwendig. Die Entwicklung neuer Schutzkonzepte, beispielsweise großräumiger Artenhilfsprogramme, die sowohl zukunftsfähige Infrastruktur erlauben als auch den Artenschutz dauerhaft sicherstellen, können zu einer Stärkung der Belange des Arten- und Naturschutzes beitragen. Zudem ist der Beschluss der Umweltministerkonferenz zu begrüßen, der fordert, dass Leitfäden zur rechtssicheren Anwendung der Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG für den Bau von Erneuerbare-Energien-Projekte erstellt werden sollen.
- Klageverfahren beschleunigen und Kompetenzen bei Gerichten nutzen:
Es hat sich gezeigt, dass es durch eine Verkürzung der Klageinstanzen gelungen ist, für besonders relevante Planungsvorhaben der Bundesrepublik Deutschland eine relevante Verkürzung der Realisierungszeiten zu erreichen. Begründet ist dies in der Verkürzung des Instanzenzugs im Gesamten. Gleichzeitig zeigt sich, dass einzelne Gerichte im Laufe der Zeit besondere Expertisen in der Behandlung spezifischer Fachplanungsvorhaben erworben haben. Diese Expertise sollte genutzt werden, um damit insgesamt auch das Vertrauen in die Gerichtsentscheidungen zu erhöhen.
Wir sind überzeugt, dass für besonders relevante Planungsvorhaben eine Verkürzung der Klageinstanzen eine sinnvolle Maßnahme ist. Über eine besondere Relevanz der Planungsvorhaben sollte der künftige Bundesnetzplan entscheiden. Dadurch erhoffen wir uns eine relevante Verkürzung der Realisierungszeiten wichtiger Infrastrukturvorhaben.
Eine Verkürzung der Klageinstanzen hat in der Vergangenheit und darf in der Zukunft keine materielle Einschränkung der Klagemöglichkeiten bedeuten.
- Mitwirkungspflichten wirkungsvoll definieren und ermöglichen – Beteiligungsrechte und rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten gewährleisten:
Immer wieder wird in der politischen Debatte über die Beschleunigung von Planungsverfahren gefordert, dass das Vorbringen einer Partei, dass nicht innerhalb bestimmter Fristen erfolgt, von den Behörden oder Gerichten nicht mehr beachtet werden muss. Wir lehnen es ab, dass Beteiligte ohne Mitwirkungspflichten von Vornherein vom Verwaltungs- sowie vom gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen werden können. Der Europäische Gerichtshof hat bereits ein Urteil zur Zulässigkeit von materiellen Präklusionsregelungen gefällt, ein weiteres Urteil wird für 2021 erwartet.
Wir fordern für das Verwaltungsverfahren klar definierte Kriterien und Fristen für das Einreichen neuer Erkenntnisse. Wir fordern zudem die Prüfung einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht bestimmter Beteiligter am Verfahren, da dies ein sinnvoller Beitrag zu einer Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren sein kann. Ein Nichteinhalten dieser Mitwirkungspflichten sollte zum Ausschluss des Beteiligten vom Verwaltungsverfahren führen können. Klar ist jedoch für uns Grüne auch, dass insbesondere Verbände, denen Mitwirkungspflichten auferlegt werden auch personell und materiell hinreichend ausgestattet sein müssen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.
- Der Bundesverkehrswegeplan wird zum Bundesnetzplan:
Die bisherige Bundesverkehrswegeplanung ist nicht zukunftsfähig. Wir fordern darum einen Bundesnetzplan, der eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Mobilität priorisiert. Dieser Bundesnetzplan soll künftig alle Verkehrswegeinfrastrukturen zusammenführen. Prüfungen und Projektbewertungen müssen verkehrsträgerübergreifend durchgeführt werden. Projekte im Bundesnetzplan müssen hinsichtlich ihrer großräumigen und systemischen Klimawirksamkeit überprüft und bewertet werden und dürfen nicht ausschließlich aufgrund lokaler Relevanz ausgewählt werden.
Wir fordern, dass das Land darauf hinwirkt, Projekte im Bundesnetzplan künftig regelmäßig einer Prüfung hinsichtlich ihrer Realisierungsnotwendigkeit zu unterziehen.
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