Der Landesparteitag möge beschließen:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzen sich dafür ein, Klimaschutz als Staatszielbestimmung und damit als Handlungsauftrag an den Staat in den Verfassungen des Landes Schleswig-Holstein und des Bundes zu verankern.
Begründung
Die Verfassung eines Staats ist sowohl Grundlage staatlichen Handelns als auch Spiegel des gesellschaftlichen Wertekonsenses. Verfassungen ermöglichen es uns, Gesetzgebung auf ihre Vereinbarkeit mit den gesellschaftlichen Grundwerten hin zu überprüfen und für alle Mitglieder der Gesellschaft verbindliche Prinzipien fest zu verankern. Verfassungen wie das Grundgesetz geben die Einigung einer Gesellschaft auf Arten des Zusammenlebens und der politischen Organisation wieder. So gibt das Grundgesetz den gemeinschaftlichen Willen zur Demokratie und das Bekenntnis zu unveräußerlichen Grund- und Menschenrechten wieder. Hart errungene Rechte der Gleichberechtigung, der Religions-, Meinungs-, Presse-, oder Wissenschaftsfreiheit werden hier verankert.
Dabei unterliegen Verfassungen im deutschen politischen System einem Wandel, in dem Maße in dem sich die gesellschaftlichen Umstände wandeln. Die Verankerung einer in unserer Gesellschaft mehrheitlich getragenen Position im Grundgesetz stand dabei oft am Ende konfliktreicher und hochgradig umstrittener gesellschaftlicher Debatten.
Als GRÜNE haben wir früh die Gefahren der globalen Erderhitzung erkannt, Beschlüsse gefasst und politische Initiativen auf den Weg gebracht. Dabei stand und steht oft die Debatte um die richtigen Maßnahmen und deren Realisierung im Vordergrund. Wir haben uns auf den Weg der Energiewende gemacht und kämpfen für fossilfreie Mobilität und Wärmeerzeugung. So wichtig das Ringen um Ausstiegsdaten, um so oder so viele Gigatonnen CO2- Einsparung und Terrawattstundenproduktion und das detaillierte Ausbuchstabieren jeder Klimaschutzmaßnahme auch ist, so darf der Blick für den gesamtgesellschaftlichen Aushandlungsprozess des großen Ziels nicht verloren gehen.
Eine Verfassung ist gleichwohl kein Fortsetzungsroman für einzelne politische Fragen, sondern das Fundament unserer gemeinschaftlich miteinander verhandelten und festgelegten Prinzipien. Es zeigt sich jedoch, dass Initiativen zur Änderung einer Verfassung gut geeignet sein können, um gesellschaftliche Diskurse zu konkretisieren und bestehende Konsense zu manifestieren. Die Debatte um den Gottesbezug in der schleswig-holsteinischen Landesverfassung und die damit entfachte lebhafte Debatte zeigte dies zuletzt sehr deutlich.
Bei der Frage des Kampfs gegen die Klimakrise handelt es sich nicht um eine tagespolitische Frage, sondern um eine zivilisatorische Herausforderung, kurzum um die Menschheitsaufgabe des 21. Jahrhunderts. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen ist der globale Rahmen definiert worden, in dem sich nationale und regionale Maßnahmen einfügen müssen. Eben an jener nationaler und regionaler Umsetzung der Maßnahmen zur Erreichung des 1,5°C-Ziels erleben wir derzeit die Erosion der Klimapolitik, in dem kollidierende politische oder wirtschaftliche Interessen Überhand gewinnen und das globale Ziel in immer weitere Ferne rücken lassen.
Jetzt, am Zeitpunkt zu dem unsere politische Generation die Klimakrise eindämmen kann, ist der richtige Punkt für eine breite gesellschaftliche Debatte. Eine Debatte, die so konkret geführt werden muss, dass am Ende die Entscheidung für oder gegen eine Verankerung in der Verfassung steht.
Wir unterstützen deshalb ausdrücklich die Initiative der GRÜNEN Bundestagsfraktion zur Konkretisierung des Artikels 20a Grundgesetz in der Bundestags-Drucksache 19/4522.
Zudem sprechen drei Faktoren dafür, diese Debatte jetzt zu führen:
1. Erleben wir spätestens seit dem Nässewinter 2017/2018, dem Hitzesommer 2018 und den Sturmfluten der letzten Saison die Vorboten der Klimakrise in Schleswig-Holstein. 71 % der Deutschen gaben in einer Umfrage an, Angst vor der Klimakrise zu haben. Das ist der höchste Wert, weit vor Terrorismus und sozialen Faktoren. Waren Gletscherschmelze und Korallensterben lange Zeit weit weg und der Meeresspiegelanstieg allenfalls eine theoretische Gefahr, so lässt sich auf einmal erahnen, was „Klimawandel” bedeuten wird.
2. Klimawandelleugner*innen greifen zu immer aggressiveren diskursiven Mitteln, um ihre Privilegien und kommerziellen Interessen zu behaupten. Niemand weiß, in welche Richtung sich der Diskurs entwickeln wird, jedoch ist klar, dass zur Agenda der Leugner *innen um Trump und Gauland ein Gegenbild geschaffen werden muss das Bild einer geeinten Gesellschaft, die sich in sozialer und ökonomischer Einheit der Klimakrise mit Innovation und Solidarität entgegenstellt.
3. Der Kohlekompromiss hat gezeigt, dass die Priorität des Klimaschutzes noch nicht erkannt ist und notwendige Maßnahmen keinesfalls als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Gleichzeitig zeigen die weltweiten und wochenlangen Proteste von Fridays for future, die jahrelangen Proteste im Hambacher Wald mit einem Höhepunkt von 50.000 Demonstrierenden, dass der Handlungsdruck auf die Politik massiv steigt.
Die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung ist der nächste Schritt im Kampf gegen die Klimakrise aber auch in der politischen Arbeit von uns GRÜNEN. Es ist ein großer Schritt hinein in die breite gesellschaftliche Debatte, an deren Ende ein Meilenstein der Klimapolitik liegen kann. Die Rettung unserer klimatischen Lebensgrundlagen wird nur gelingen können, wenn der Klimaschutz von der Breite der Bevölkerung getragen wird.
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