LPT 23.03.19 – Für eine GRÜNE Polizeipolitik 23. März 2019 Debatten zur inneren Sicherheit werden im Land und Bund oft emotional geführt. Während viele Parteien nach schärferen Sicherheitsgesetzen rufen, sind in den letzten Jahren viele hunderttausend Menschen zur Verteidigung von Bürger*innenrechten und Freiheit auf die Straße gegangen. Wir Grüne stehen für eine vernünftige Sicherheitspolitik, die auf Ausgleich, Fakten und die Verteidigung unseres freiheitlichen Rechtsstaates setzt. Diese Kriterien sind für unsere Sicherheitspolitik entscheidend. Bürgerpolizei beibehalten Wir Grüne wollen Sicherheit mit Augenmaß und keinen Abbau von unseren Freiheitsrechten, in Schleswig-Holstein genauso wie im Bund. Bisher wurden in Schleswig-Holstein sämtliche Gefahrenlagen auf der Grundlage der bestehenden Gesetze bewältigt. Änderungen am bisherigen Recht der Gefahrenabwehr wollen wir daher nur, wenn sie nachweisbar erforderlich sind für ein Mehr an Sicherheit und sich eindeutig auf dem Boden des Grundgesetzes und der Rechtsstaatlichkeit bewegen. Statt auf Gesetzesverschärfungen zu setzen ist eine gut ausgestattete und bürgernahe Polizei der Schlüssel einer guten Sicherheitspolitik. Deshalb haben wir schleswig-holsteinischen Grünen als Regierungspartei im Land über 500 neue Stellen für unsere Landespolizei beschlossen und mehr Mittel für eine bessere Schutzausstattung investiert. Am Konzept einer starken Bürgerpolizei für Schleswig-Holstein wollen wir festhalten! Eine starke Schutzausrüstung ist notwendig, um unsere Polizist*innen auf der Straße wirksam vor Verletzungen zu schützen. Eine militärähnliche Aufrüstung in den Waffen und zahlreiche anlasslose Eingriffsbefugnisse lehnen wir hingegen auch weiterhin klar ab. Prävention als Leitgedanke Grüne Politik hat in Schleswig-Holstein erfolgreich eine Kennzeichnungspflicht der Polizei sowie eine Beschwerdestelle für die Polizei umgesetzt. Auf diesen Erfolgen wollen wir weiter aufbauen. An unserem Ziel einer bürgernahen, gut ausgebildeten und ausgestatteten Polizei, die auf Grundlage klarer rechtlicher Vorgaben arbeitet, halten wir auch weiterhin fest. Leitgedanke einer bürgernahen und zivilen Sicherheitsarchitektur und guten Polizeiarbeit ist die Prävention. Es bleibt dabei: Prävention ist die beste Gefahrenabwehr. Sie ist nicht alleinige Aufgabe der Polizei. Wie bei den Kriminalpräventiven Räten liegt die größte Wirkmacht der Prävention darin, wenn lokale und vor Ort vernetzte Institutionen wie z.B. Schule, Polizei, Stadtplanung, Jugendämter und Justiz gut zusammenarbeiten. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die bestehenden Kriminalpräventiven Räte im Land ausbauen und vor Ort verlässliche Strukturen der Zusammenarbeit in Form von „Bündnissen für Sicherheit“ etablieren. Wir wollen die Arbeit der Polizei vor Ort und der kommunalen Behörden und Ämter gerade im Bereich der Prävention in abgestimmte Handlungskonzepte zusammenführen und dabei auch die Belange der Bevölkerung stärker berücksichtigen. Neben der jährlichen Präsentation der Polizeilichen Kriminalstatistik wollen wir aussagekräftigere Sicherheitsberichte mit regionalem Bezug einführen. Polizeigesetz ändern, wo erforderlich Das Polizeigesetz in Schleswig-Holstein wollen wir da ändern, wo es erforderlich ist. Wir ändern Gesetze nicht nach Gutdünken und wollen den Menschen keinen Sand in die Augen streuen. Schärfere Gesetze bedeuten nicht automatisch mehr Sicherheit, im Gegenteil: Immer neue Befugnisse und Eingriffsnormen können durchaus auch eine sicherheitspolitisch kontraproduktive, weil kapazitätsbindende Wirkung haben. Zuletzt war beispielsweise die Strafe bei Körperverletzungen gegen Polizeibeamt*innen deutlich verschärft worden. Ersten Zahlen zufolge hat dies keine Auswirkungen auf die Anzahl der Übergriffe auf Polizist*innen. Auch der sicherheitspolitische Mehrwert anlassloser Massenüberwachungen durch verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherungen konnte trotz einer jahrelangen Diskussion nie nachgewiesen werden, die hohe Intensität des Grundrechtseingriffs hingegen ist unbestritten. Wir wehren uns auch weiterhin daher gegen jedwede Verschärfungen auf Kosten von Grund- und Freiheitsrechten, deren Nutzen nicht klar nachgewiesen ist. Das gilt auch für das Gefahrenabwehrrecht. Bayern und andere Bundesländer, in denen aktuell Polizeigesetze beklagt werden, sind für Schleswig-Holstein kein Vorbild. Solche Polizeigesetze sind mit uns Grünen nicht zu machen. Nachrichtendienste, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auseinander halten Wir Grünen setzen uns für die Aufrechterhaltung der Trennung zwischen der nachrichtendienstlichen Gefahrenerkennung im Vorfeld konkreter Gefahren, der polizeilichen Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung ein. Die klare Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten und die Abgrenzung ihrer jeweiligen Aufgaben sind ein fundamentaler Teil des Rechtsstaatsprinzips. Nachdem in den letzten Jahren insbesondere in der Strafverfolgung zur Terrorabwehr die Strafbarkeit weit ins Vorfeld verlagert wurde, lässt sich aktuell eine ähnliche Dynamik in Verschärfungen des Gefahrenabwehrrechts in den Ländern beobachten. Dem werden wir als Grüne in Schleswig-Holstein auch weiterhin eine Innen- und Sicherheitspolitik entgegensetzen, die sich an realen Gefahrenlagen orientiert, ihnen konkret begegnet und dabei Freiheitsrechte achtet. Eine Ausweitung des Gefahrenbegriffes und die Herabsetzung von Eingriffsschwellen für zum Teil tiefgreifende Grundrechtseingriffe lehnen wir ab. Auch im Gefahrenabwehrrecht gilt ein strenger Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – auch für die legislative Erforderlichkeit. Immer mehr Befugnisse im präventiven Bereich lehnen wir ab, wenn Polizei ohne konkreten Verdacht Maßnahmen gegen Jede*n und Alles ergreifen kann. Evaluation für Sicherheitsgesetze Der Schutz der Bürger*innenrechte fordert nicht nur eine belastbare Erforderlichkeitsprüfung vor dem Tätigwerden des Gesetzgebers, sondern auch, dass Sicherheitsgesetze einer Evaluationsfrist unterliegen. Dazu sollten Sicherheitsgesetze wissenschaftlich evaluiert und in der Regel zeitlich befristet werden. Der Gesetzgeber sollte immer wieder aktiv überprüfen, inwieweit Bürger*innenrechte gewahrt bleiben. Wir werden vor einer weiteren Verschärfung der Sicherheitsgesetze in Schleswig-Holstein daher auch überprüfen, inwieweit bestehende Regelungen Bürger*innen über Gebühr belasten ohne gleichzeitig die Sicherheit deutlich zu verbessern. Keine Massenüberwachung Sogenannte „Staatstrojaner“ sind nicht nur verfassungsrechtlich weiterhin hoch umstritten, sie gefährden darüber hinaus die IT-Sicherheit in unserem Land. Wir lehnen die bisherige Praxis, Sicherheitslücken für Staatstrojaner bewusst offen zu halten und staatlicherseits mit ihnen zu handeln, daher kategorisch ab und setzen uns auch weiterhin für klare Rechtsgrundlagen, eine Überprüfung des Quellcodes hinsichtlich der Verfassungskonformität und die Erhöhung der Eingriffsschwellen ab. So lang all diese verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten nicht umgesetzt werden, lehnen wir den Einsatz von Staatstrojanern weiterhin deutlich ab. Auch die sogenannte „Online-Durchsuchung“ ermöglicht eine sehr umfassende Überwachung ohne dass die Wahrung des Kernbereichsschutzes ausreichend überprüfbar ist. Auch hier stellen sich sehr tiefgehende verfassungsrechtliche Bedenken, die bis heute nicht ausgeräumt wurden. Die Befürworter dieser Maßnahmen erinnern wir an ihre Pflicht, die Verfassungskonformität nachzuweisen. In der Abwägung der Möglichkeiten für eine effektive Polizeiarbeit und dem damit verbundenen massiven Grundrechtseingriff lehnen wir die Online-Durchsuchung auch weiterhin ab. Bereits heute liegen in polizeilichen Datenbanken eine Vielzahl von Informationen ohne klare Erforderlichkeit und ohne das Wissen der Betroffenen. Das kann für die Betroffenen sehr konkrete, negative Folgen haben. Dies hat nicht zuletzt der Fall von Journalisten, die am Rande des G-20 Gipfels in Hamburg an der Berichterstattung behindert wurden, noch einmal gezeigt. Hier bleiben Bundesregierung und Länder in der Pflicht, die Rechtmäßigkeit dieser Datenbanken, die unter anderem von den zuständigen Aufsichtsbehörden wiederholt negiert wurde, umgehend sicherzustellen. Wir fordern daher, eine strikte, an rechtlichen Vorgaben orientierte Begrenzung der gesammelten Daten, insbesondere wenn diese eine stigmatisierende Wirkung haben. Auch für die weitere Digitalisierung der Polizeiarbeit fordern wir die Grundsätze von Datenschutz, Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit sowie Datensicherheit unbedingt aufrecht zu halten!