Häusliche und sexualisierte Gewalt widerfährt auch cis-männlichen Personen (Erläuterung siehe Begründung). In der Öffentlichkeit gibt es für diesen Umstand kaum Bewusstsein; geschlechtsinduzierte Verletzungen werden oft als Probleme von FINT*-Personen gesehen. Schätzungen besagen jedoch, dass fünf bis zehn Prozent aller deutschen cis-Jungen in ihrer Kindheit und Jugend von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Es hat sich außerdem herausgestellt, dass cis-Männer wesentlich häufiger von häuslicher Gewalt betroffen sind als früher angenommen. Auch wenn die absoluten Betroffenenzahlen bei cis-Jungen und Männern in Statistiken auffällig niedrig im Vergleich zu FINT*-Personen erscheinen, so muss man doch von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgehen.
Um sexualisierte und häusliche Gewalt gegen cis-Jungen und -Männer zu beenden, fordern wir folgendes auf landespolitischer Ebene:
- Es braucht eine institutionelle Förderung der Männerberatung in Schleswig-Holstein, die den Beratungsstellen Planungssicherheit gibt und Zeit, die Programme zu etablieren. Eine langfristige Unterstützung sendet außerdem ein Zeichen an die Öffentlichkeit und Betroffene, dass das Thema sexualisierte und häusliche Gewalt bei cis-Jungen und -Männern ernst genommen wird.
- Es braucht mehr auf sexualisierte und häusliche Gewalt bei cis-Jungen und -Männern spezialisierte Beratungsstellen im ganzen Bundesland. Besonders der ländliche Raum in Schleswig-Holstein ist momentan unterversorgt.
- Die Beratungsangebote müssen niedrigschwellig und divers sein – von persönlichen Angeboten, über telefonische bis hin zu Online-Kontaktmöglichkeiten.
- Diversität muss sich auch bei den Berater*innen widerspiegeln, hier geht es explizit um das Geschlecht – Parité bei den Mitarbeitenden in den Beratungsstellen ist wünschenswert. Weitere Aspekte sind z. B. soziale und ethnische Herkunft, Religion, Sprache u. Ä.
- Die Beratung muss kurzfristig für die Betroffenen verfügbar sein, lange Wartezeiten sind zu vermeiden.
- Es braucht mehr staatliche Fördergelder, um sexualisierte und häusliche Gewalt bei cis-Jungen und -Männern zu erforschen. Es gibt in Deutschland aktuell keine repräsentative Studie, wie viele Menschen betroffen sind – das Dunkelfeld kann dementsprechend schlecht geschätzt werden. Weitere Aspekte, wie z. B. FIT-Personen als Täter*innen, sind praktisch unerforscht.
- Für sexualisierte und häusliche Gewalt bei cis-Jungen und -Männern muss die Polizei und Justiz z. B. in Form von Schulungen der Beamt*innen stärker sensibilisiert werden.
Bundespolitisch fordern wir des Weiteren:
- Die Zahl der Plätze in Männerschutzwohnungen in Deutschland muss drastisch erhöht werden. Fachkräfte schätzen, dass pro Bundesland etwa sechs bis zwölf benötigt werden.
- Ein bundesweites 24 Stunden-Notfalltelefon für von sexualisierter und häuslicher Gewalt betroffe-nen cis-Jungen und -Männer ist notwendig.
- Es braucht sowohl landes- als auch bundesweite Fach- und Koordinationsstellen, die die verschiedenen Beratungsangebote überblicken, Öffentlichkeitsarbeit machen, Präventionskonzepte sowie Qualitätsstandards erarbeiten und sichern.
- Die „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“ soll von einer Ehrenamtskommission zu einer Kommission mit juristischen Befugnissen aufgewertet werden, um ihre Arbeit noch effektiver ausführen zu können.
- Täter*innen müssen strafrechtlich konsequent verfolgt werden.
***
Beschlossen auf dem digitalen Landesparteitag am 01.11.20
Erläuterung aus der Antragsbegründung:
Cis sagt aus, dass eine Person sich mit dem Geschlecht identifiziert, das ihr bei der Geburt zugewiesen werden. Ein Cis Mann ist also eine Person, die bei der Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurde und sich auch als Mann identifiziert. Dementsprechend ist eine Cis Frau eine Frau eine Frau, die bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen wurde und sich auch als Frau identifiziert.
In diesem Antrag verwenden wir den Begriff Cis-Männer, da diese auf andere Weise von Gewalt betroffen sind, als zum Beispiel trans-Männer, die häufig weiblich sozialisiert wurden, manchmal weiblich gelesen werden und somit von anderen Diskriminierungs-Strukturen betroffen sind.
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