LPT 5/2024: Schulen als sichere Orte des Lernens und Arbeitens 6. Mai 202415. Juli 2024 Der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzt sich im Land und als Teil der Landesregierung dafür ein, dass verstärkt Maßnahmen ergriffen werden, um die Schulen in Schleswig-Holstein zu sicheren Orten des Lernens und Arbeitens für Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulpersonal zu machen. Im Fokus soll dabei immer der präventive Ansatz stehen, um die psychische und physische Gesundheit aller an Schule Beteiligten mit allen fachlich gebotenen Mitteln zu fördern. Besonders Armut befördert Stress und hat negative Folgen auf die Gesundheit und Sicherheit von Schüler*innen. Schulische Strukturen und didaktische Ansätze müssen sich daher so verändern, dass flächendeckend und in allen Schulformen armutssensibles Handeln konsequent umgesetzt wird. Der niedrigschwellige und vom Elternhaus unabhängige Zugang zu Hilfsangeboten und die frühe Aufklärung über psychische Krankheiten können sowohl zu gesundheitlicher Chancengerechtigkeit führen als auch zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen. Dafür schlagen wir folgende Maßnahmen vor: Aktualisierung des Notfallwegweisers für die Schule bei Krisen- und Unglücksfällen (2009) in Zusammenarbeit mit Facheinrichtungen und Fachdiensten. Ein überarbeiteter „Notfallwegweiser“ soll zu aktuell bekannten Szenarien Möglichkeiten der Krisenprävention aufzeigen, aber auch in der Krisenintervention klare Handlungsmöglichkeiten bzw. erforderliche Handlungsketten deutlich aufzeigen. In anderen Bundesländern vorhandene Konzepte können als Orientierungshilfe dienen. Es muss klar werden, an wen sich Lehrkräfte wenden können und was nach einem Vorfall zu tun ist. Zu der Verwendung des Notfallwegweisers sollte es klare dienstliche Anweisungen und Dienstvereinbarungen geben. Unterstützung der Schulen bei der Entwicklung eines institutionellen Präventions- und Interventionskonzeptes zum Schutz vor sexualisierter, psychischer und körperlicher Gewalt. Die seit 2021 gesetzlich verpflichteten Konzepte (nach SchulG § 4 Abs. 10) können ein hilfreiches Mittel sein, um Schüler*innen durch gesamtschulische Verfahren und einheitliche Handlungskonzepte zu schützen. Die Schulen sind jedoch teilweise mit dieser Zusatzaufgabe überfordert und die angebotenen Unterstützungen seitens des IQSH und der Europa-Universität Flensburg stark nachgefragt werden. Das Ministerium muss dafür Sorge tragen, ausreichend Plätze in den Workshops zur Verfügung zu stellen. Auch ein Rahmenkonzept als Orientierungshilfe kann Entlastung bieten und die notwendige Fachlichkeit sicherstellen. Das Vorhandensein von Schutzkonzepten soll stichprobenartig seitens der Schulaufsicht überprüft werden. Änderung der Grundlage für eine Meldung im Sinne des Gewaltmonitorings (GEMON): Das gegenwärtige Gewaltmonitoring sammelt Vorfälle psychischer oder physischer Gewaltanwendungen in Schulen, die nach § 25 Absatz 3 des Schulgesetz S.-H. mit einer Ordnungsmaßnahme sanktioniert wurden. Es fehlt eine systematische Auswertung der Daten, verbunden mit fachlichen Handlungsableitungen für die Prävention und die Intervention, die zukünftig in die multiprofessionelle pädagogische Arbeit einfließen sollten. Unterhalb der definierten Schwelle im Gewaltmonitoring gibt es ein erhebliches „Graufeld“ psychischer und physischer Gewalt. Ziel muss es sein, einen möglichst vollständigen Überblick über Gewaltvorfälle und entsprechende Handlungsmöglichkeiten an Schulen zu erhalten. Extremistische, queerfeindliche oder antisemitische Konflikte sollten separat ausgewiesen werden. Schaffung von zentralen interdisziplinären Krisenteams bestehend aus Vertreter*innen von Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeit, Polizei, Jugendhilfe, Notfallseelsorge, Lehrkräften, Schulverwaltung und lokalen Akteuren wie den KIK-Netzwerken. Diese sollen jeweils in den Kreisen und kreisfreien Städten angesiedelt werden und die jeweiligen Schulen präventiv beraten und unterstützen, aber auch als schnelle, geschulte Unterstützung zur Bewältigung und Nachsorge nach einem Krisenfall tätig werden. Grundlegend dafür ist eine gute personelle und sachliche Ausstattung der genannten Akteure seitens des Landes und der kommunalen Ebene. Die bestehenden Kooperationskreise nach § 12 Kinderschutzgesetz S.- H. können als Basis für die Weiterentwicklung der Krisenteams dienen oder dies in ihrer Schwerpunktsetzung berücksichtigen. Notwendig ist dafür eine Evaluation der bestehenden Interventions- und Kooperationskreise, um diese wirksam zu verbessern. Zur Sicherstellung der Präventionskette sollen außerdem auf Elternabenden und Konferenzen die örtlichen Präventionsangebote und zuständigen Ansprechpersonen vorgestellt werden. Die Hochschulen des Landes mit entsprechendem Wissenschaftsprofil und das IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein) sollen in die Lage versetzt werden, die Prävention und Intervention im Rahmen schulischer Schutzkonzepte durch Fort- und Weiterbildungsangebote zu unterstützen. Die Entwicklung wirksamer pädagogischer Handlungsleitlinien für Lehrkräfte im Umgang mit politischem und religiösem Extremismus und Gewaltverherrlichung an Schulen ist ein weiteres Feld, in dem IQSH, Hochschulen und, im Kontext der Zunahme an rechtsextremen Tendenzen an Schulen, die regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus kooperieren sollten. Das IQSH und die Hochschulen sollen in die Lage versetzt werden, ihre Fortbildungsangebote in diesem Bereich auszubauen. Eine anteilige Flexibilisierung der Fortbildungen durch das Angebot von Abruf- und Onlineveranstaltungen sollte mitgedacht werden. Es muss außerdem sichergestellt werden, dass die Schulen über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um externe Präventionsangebote wie beispielsweise „Ziggy zeigt Zähne“ durchführen zu können. Ausbau der medienpädagogischen Angebote sowie Unterrichtsmaterialien in den Schulen unter Einbeziehung der schulischen Medienentwicklungsplanung seitens des IQSHs, welche handlungsbezogen Inhalte für verschiedene Schularten und Altersgruppen bereitstellt. Insbesondere der Bereich der Kooperationsentwicklung soll weiter in den Fokus gestellt werden. Denn wer Kinder und Jugendliche begleitet, steht zunehmend vor der Herausforderung, den bewussten Umgang mit digitalen Medien zu fördern und eine sichere Online-Umgebung zu schaffen. Der Ausbau von Medienprävention muss daher zugleich als ganzheitliche Unterstützung für Erziehungsberechtigte und Familien wirken. Schon ab der Grundschule muss die Bedeutung des sich wandelnden Medienkonsums stärker auf Elternabenden thematisiert werden. Dazu können beispielsweise die Aufklärung zu den Gefahren von Medien, mehrsprachige Informations- und Gesprächsangebote sowie die Möglichkeiten der praktischen Unterstützung zum sicheren Agieren in digitalen Räumen gehören. Ausbau der Schulgesundheitsfachkräfte sowie der Schulsozialarbeit an Grundschulen und weiterführenden Schulen in Schleswig-Holstein, um Lehrkräfte kompetent darin zu unterstützen, die physische und psychische Gesundheit von Schüler*innen zu fördern. Die Schulgesundheitsfachkräfte und die Schulsozialarbeiter*innen können ansprechbar sein bei vielfältigen Herausforderungen im Schulalltag. Die Finanzierung darf dabei nicht allein Aufgabe des Schulträgers sein. Ausbau der schulpsychologischen Versorgung auf ein angemessenes Verhältnis von Schüler*innen zu Psycholog*innen, um eine Beachtung der verschiedenen Präventionsstufen zu gewährleisten und auch Raum für primäre Prävention zu geben. Für Lehrkräfte sollen zusätzlich regelmäßig Termine zur Supervision und für Fallkonferenzen ermöglicht werden. Ein Verhältnis von 1:1000 und eine Zuständigkeit für max. fünf Schulen pro Schulpsycholog*in fordert beispielsweise der Bund Deutscher Psycholog*innen (BDP) im „Berufsprofil Schulpsychologie“ schon seit 2008. In einem ersten Schritt könnten dafür exemplarisch die aus dem Sofortprogramm gestellten 15 befristeten Stellen entfristet werden, um qualifiziertes Personal nicht zu verlieren. Eine Vernetzung mit den neu entstehenden traumapädagogischen Angeboten an Grundschulen soll unterstützt werden. Auch sollte die Mitwirkung an schulbezogenen Aufgabenstellungen der lokalen Netzwerke zum Kinder- und Jugendschutz nach § 8 Kinderschutzgesetz S.-H. gefördert werden. Berücksichtigung von Mental Health im Unterrichtsalltag: Es braucht mehr Aufmerksamkeit für die psychischen Stressfaktoren von Kindern und Jugendlichen. Das Aufwachsen in krisenhaften Zeiten, enorme zeitliche Belastung und unsichere Zukunftsaussichten setzen viele junge Menschen unter enormen Stress. Das Thema “Mental Health” muss daher im Unterrichtsalltag flächendeckend berücksichtigt werden beispielsweise durch die Unterrichtsprogramme „Psychische Gesundheit und Schule“ oder “MindMatters”. Auch eine Ausweitung des Bundesprogramms “Mental Health Coaches” an Schulen in SH kann dafür sorgen, dass die Thematik angemessen berücksichtigt wird. Wichtiger Faktor für psychische Stressfaktoren ist die zeitliche Belastung von Schüler*innen. Schulen müssen daher darauf achten, den Schüler*innen angemessenen Raum für Freizeitaktivitäten und Entspannung zu geben und die schulischen Anforderungen auf ein angemessenes Maß zu begrenzen. Queerfeindlichkeitals Diskriminierungsform soll im bisherigen Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes in § 4 berücksichtigt werden. Außerdem soll verstärkt geprüft werden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Schulen zu sicheren Orten für queere Schüler*innen, Lehrkräfte sowie alle im Schulkontext aktiven Personen zu machen.