LPT 5/2024: Schulen als sichere Orte des Lernens und Arbeitens

Der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzt sich im Land
und als Teil der Landesregierung dafür ein, dass verstärkt Maßnahmen ergriffen
werden, um die Schulen in Schleswig-Holstein zu sicheren Orten des Lernens und
Arbeitens für Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulpersonal zu machen. Im Fokus
soll dabei immer der präventive Ansatz stehen, um die psychische und physische
Gesundheit aller an Schule Beteiligten mit allen fachlich gebotenen Mitteln zu
fördern.

Besonders Armut befördert Stress und hat negative Folgen auf die Gesundheit und
Sicherheit von Schüler*innen. Schulische Strukturen und didaktische Ansätze
müssen sich daher so verändern, dass flächendeckend und in allen Schulformen
armutssensibles Handeln konsequent umgesetzt wird. Der niedrigschwellige und vom
Elternhaus unabhängige Zugang zu Hilfsangeboten und die frühe Aufklärung über
psychische Krankheiten können sowohl zu gesundheitlicher Chancengerechtigkeit
führen als auch zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen.

Dafür schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

  • Aktualisierung des Notfallwegweisers für die Schule bei Krisen- und
    Unglücksfällen (2009)
    in Zusammenarbeit mit Facheinrichtungen und
    Fachdiensten. Ein überarbeiteter „Notfallwegweiser“ soll zu aktuell
    bekannten Szenarien Möglichkeiten der Krisenprävention aufzeigen, aber
    auch in der Krisenintervention klare Handlungsmöglichkeiten bzw.
    erforderliche Handlungsketten deutlich aufzeigen. In anderen Bundesländern
    vorhandene Konzepte können als Orientierungshilfe dienen. Es muss klar
    werden, an wen sich Lehrkräfte wenden können und was nach einem Vorfall zu
    tun ist. Zu der Verwendung des Notfallwegweisers sollte es klare
    dienstliche Anweisungen und Dienstvereinbarungen geben.
  • Unterstützung der Schulen bei der Entwicklung eines institutionellen
    Präventions- und Interventionskonzeptes zum Schutz vor sexualisierter,
    psychischer und körperlicher Gewalt.
    Die seit 2021 gesetzlich
    verpflichteten Konzepte (nach SchulG § 4 Abs. 10) können ein hilfreiches
    Mittel sein, um Schüler*innen durch gesamtschulische Verfahren und
    einheitliche Handlungskonzepte zu schützen. Die Schulen sind jedoch
    teilweise mit dieser Zusatzaufgabe überfordert und die angebotenen
    Unterstützungen seitens des IQSH und der Europa-Universität Flensburg
    stark nachgefragt werden. Das Ministerium muss dafür Sorge tragen,
    ausreichend Plätze in den Workshops zur Verfügung zu stellen. Auch ein
    Rahmenkonzept als Orientierungshilfe kann Entlastung bieten und die
    notwendige Fachlichkeit sicherstellen. Das Vorhandensein von
    Schutzkonzepten soll stichprobenartig seitens der Schulaufsicht überprüft
    werden.
  • Änderung der Grundlage für eine Meldung im Sinne des Gewaltmonitorings
    (GEMON)
    : Das gegenwärtige Gewaltmonitoring sammelt Vorfälle psychischer
    oder physischer Gewaltanwendungen in Schulen, die nach § 25 Absatz 3 des
    Schulgesetz S.-H. mit einer Ordnungsmaßnahme sanktioniert wurden. Es fehlt
    eine systematische Auswertung der Daten, verbunden mit fachlichen
    Handlungsableitungen für die Prävention und die Intervention, die
    zukünftig in die multiprofessionelle pädagogische Arbeit einfließen
    sollten. Unterhalb der definierten Schwelle im Gewaltmonitoring gibt es
    ein erhebliches „Graufeld“ psychischer und physischer Gewalt. Ziel muss es
    sein, einen möglichst vollständigen Überblick über Gewaltvorfälle und
    entsprechende Handlungsmöglichkeiten an Schulen zu erhalten.
    Extremistische, queerfeindliche oder antisemitische Konflikte sollten
    separat ausgewiesen werden.
  • Schaffung von zentralen interdisziplinären Krisenteams bestehend aus
    Vertreter*innen von Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeit, Polizei,
    Jugendhilfe, Notfallseelsorge, Lehrkräften, Schulverwaltung und lokalen
    Akteuren wie den KIK-Netzwerken. Diese sollen jeweils in den Kreisen und
    kreisfreien Städten angesiedelt werden und die jeweiligen Schulen
    präventiv beraten und unterstützen, aber auch als schnelle, geschulte
    Unterstützung zur Bewältigung und Nachsorge nach einem Krisenfall tätig
    werden. Grundlegend dafür ist eine gute personelle und sachliche
    Ausstattung der genannten Akteure seitens des Landes und der kommunalen
    Ebene. Die bestehenden Kooperationskreise nach § 12 Kinderschutzgesetz S.-
    H. können als Basis für die Weiterentwicklung der Krisenteams dienen oder
    dies in ihrer Schwerpunktsetzung berücksichtigen. Notwendig ist dafür eine
    Evaluation der bestehenden Interventions- und Kooperationskreise, um diese
    wirksam zu verbessern. Zur Sicherstellung der Präventionskette sollen
    außerdem auf Elternabenden und Konferenzen die örtlichen
    Präventionsangebote und zuständigen Ansprechpersonen vorgestellt werden.
  • Die Hochschulen des Landes mit entsprechendem Wissenschaftsprofil und das
    IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein)
    sollen in die Lage versetzt werden, die Prävention und Intervention im
    Rahmen schulischer Schutzkonzepte durch Fort- und Weiterbildungsangebote

    zu unterstützen. Die Entwicklung wirksamer pädagogischer
    Handlungsleitlinien für Lehrkräfte im Umgang mit politischem und
    religiösem Extremismus und Gewaltverherrlichung an Schulen ist ein
    weiteres Feld, in dem IQSH, Hochschulen und, im Kontext der Zunahme an
    rechtsextremen Tendenzen an Schulen, die regionalen Beratungsteams gegen
    Rechtsextremismus kooperieren sollten. Das IQSH und die Hochschulen sollen
    in die Lage versetzt werden, ihre Fortbildungsangebote in diesem Bereich
    auszubauen. Eine anteilige Flexibilisierung der Fortbildungen durch das
    Angebot von Abruf- und Onlineveranstaltungen sollte mitgedacht werden. Es
    muss außerdem sichergestellt werden, dass die Schulen über ausreichend
    finanzielle Mittel verfügen, um externe Präventionsangebote wie
    beispielsweise „Ziggy zeigt Zähne“ durchführen zu können.
  • Ausbau der medienpädagogischen Angebote sowie Unterrichtsmaterialien in
    den Schulen
    unter Einbeziehung der schulischen Medienentwicklungsplanung
    seitens des IQSHs, welche handlungsbezogen Inhalte für verschiedene
    Schularten und Altersgruppen bereitstellt. Insbesondere der Bereich der
    Kooperationsentwicklung soll weiter in den Fokus gestellt werden. Denn wer
    Kinder und Jugendliche begleitet, steht zunehmend vor der Herausforderung,
    den bewussten Umgang mit digitalen Medien zu fördern und eine sichere
    Online-Umgebung zu schaffen. Der Ausbau von Medienprävention muss daher
    zugleich als ganzheitliche Unterstützung für Erziehungsberechtigte und
    Familien wirken. Schon ab der Grundschule muss die Bedeutung des sich
    wandelnden Medienkonsums stärker auf Elternabenden thematisiert werden.
    Dazu können beispielsweise die Aufklärung zu den Gefahren von Medien,
    mehrsprachige Informations- und Gesprächsangebote sowie die Möglichkeiten
    der praktischen Unterstützung zum sicheren Agieren in digitalen Räumen
    gehören.
  • Ausbau der Schulgesundheitsfachkräfte sowie der Schulsozialarbeit an
    Grundschulen und weiterführenden Schulen
    in Schleswig-Holstein, um
    Lehrkräfte kompetent darin zu unterstützen, die physische und psychische
    Gesundheit von Schüler*innen zu fördern. Die Schulgesundheitsfachkräfte
    und die Schulsozialarbeiter*innen können ansprechbar sein bei vielfältigen
    Herausforderungen im Schulalltag. Die Finanzierung darf dabei nicht allein
    Aufgabe des Schulträgers sein.
  • Ausbau der schulpsychologischen Versorgung auf ein angemessenes Verhältnis
    von Schüler*innen zu Psycholog*innen, um eine Beachtung der verschiedenen
    Präventionsstufen zu gewährleisten und auch Raum für primäre Prävention zu
    geben. Für Lehrkräfte sollen zusätzlich regelmäßig Termine zur Supervision
    und für Fallkonferenzen ermöglicht werden. Ein Verhältnis von 1:1000 und
    eine Zuständigkeit für max. fünf Schulen pro Schulpsycholog*in fordert
    beispielsweise der Bund Deutscher Psycholog*innen (BDP) im „Berufsprofil
    Schulpsychologie“ schon seit 2008. In einem ersten Schritt könnten dafür
    exemplarisch die aus dem Sofortprogramm gestellten 15 befristeten Stellen
    entfristet werden, um qualifiziertes Personal nicht zu verlieren. Eine
    Vernetzung mit den neu entstehenden traumapädagogischen Angeboten an
    Grundschulen soll unterstützt werden. Auch sollte die Mitwirkung an
    schulbezogenen Aufgabenstellungen der lokalen Netzwerke zum Kinder- und
    Jugendschutz nach § 8 Kinderschutzgesetz S.-H. gefördert werden.
  • Berücksichtigung von Mental Health im Unterrichtsalltag: Es braucht mehr
    Aufmerksamkeit für die psychischen Stressfaktoren von Kindern und
    Jugendlichen. Das Aufwachsen in krisenhaften Zeiten, enorme zeitliche
    Belastung und unsichere Zukunftsaussichten setzen viele junge Menschen
    unter enormen Stress. Das Thema “Mental Health” muss daher im
    Unterrichtsalltag flächendeckend berücksichtigt werden beispielsweise
    durch die Unterrichtsprogramme „Psychische Gesundheit und Schule“ oder
    “MindMatters”. Auch eine Ausweitung des Bundesprogramms “Mental Health
    Coaches” an Schulen in SH kann dafür sorgen, dass die Thematik angemessen
    berücksichtigt wird. Wichtiger Faktor für psychische Stressfaktoren ist
    die zeitliche Belastung von Schüler*innen. Schulen müssen daher darauf
    achten, den Schüler*innen angemessenen Raum für Freizeitaktivitäten und
    Entspannung zu geben und die schulischen Anforderungen auf ein
    angemessenes Maß zu begrenzen.
  • Queerfeindlichkeitals Diskriminierungsform soll im bisherigen Entwurf zur
    Änderung des Schulgesetzes in § 4 berücksichtigt werden. Außerdem soll
    verstärkt geprüft werden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um
    Schulen zu sicheren Orten für queere Schüler*innen, Lehrkräfte sowie alle
    im Schulkontext aktiven Personen zu machen.

Neuste Artikel

Nord-GRÜNE fordern Naturschutzbooster

Für eine faire und soziale Migrations- und Asylpolitik für die, die hier leben und die, die zu uns kommen

Nord-GRÜNE fordern Update der Sicherheitspolitik angesichts hybrider Bedrohungen

Ähnliche Artikel