Der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzt sich im Land
und als Teil der Landesregierung dafür ein, dass verstärkt Maßnahmen ergriffen
werden, um die Schulen in Schleswig-Holstein zu sicheren Orten des Lernens und
Arbeitens für Schüler*innen, Lehrkräfte und Schulpersonal zu machen. Im Fokus
soll dabei immer der präventive Ansatz stehen, um die psychische und physische
Gesundheit aller an Schule Beteiligten mit allen fachlich gebotenen Mitteln zu
fördern.
Besonders Armut befördert Stress und hat negative Folgen auf die Gesundheit und
Sicherheit von Schüler*innen. Schulische Strukturen und didaktische Ansätze
müssen sich daher so verändern, dass flächendeckend und in allen Schulformen
armutssensibles Handeln konsequent umgesetzt wird. Der niedrigschwellige und vom
Elternhaus unabhängige Zugang zu Hilfsangeboten und die frühe Aufklärung über
psychische Krankheiten können sowohl zu gesundheitlicher Chancengerechtigkeit
führen als auch zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen.
Dafür schlagen wir folgende Maßnahmen vor:
- Aktualisierung des Notfallwegweisers für die Schule bei Krisen- und
Unglücksfällen (2009) in Zusammenarbeit mit Facheinrichtungen und
Fachdiensten. Ein überarbeiteter „Notfallwegweiser“ soll zu aktuell
bekannten Szenarien Möglichkeiten der Krisenprävention aufzeigen, aber
auch in der Krisenintervention klare Handlungsmöglichkeiten bzw.
erforderliche Handlungsketten deutlich aufzeigen. In anderen Bundesländern
vorhandene Konzepte können als Orientierungshilfe dienen. Es muss klar
werden, an wen sich Lehrkräfte wenden können und was nach einem Vorfall zu
tun ist. Zu der Verwendung des Notfallwegweisers sollte es klare
dienstliche Anweisungen und Dienstvereinbarungen geben.
- Unterstützung der Schulen bei der Entwicklung eines institutionellen
Präventions- und Interventionskonzeptes zum Schutz vor sexualisierter,
psychischer und körperlicher Gewalt. Die seit 2021 gesetzlich
verpflichteten Konzepte (nach SchulG § 4 Abs. 10) können ein hilfreiches
Mittel sein, um Schüler*innen durch gesamtschulische Verfahren und
einheitliche Handlungskonzepte zu schützen. Die Schulen sind jedoch
teilweise mit dieser Zusatzaufgabe überfordert und die angebotenen
Unterstützungen seitens des IQSH und der Europa-Universität Flensburg
stark nachgefragt werden. Das Ministerium muss dafür Sorge tragen,
ausreichend Plätze in den Workshops zur Verfügung zu stellen. Auch ein
Rahmenkonzept als Orientierungshilfe kann Entlastung bieten und die
notwendige Fachlichkeit sicherstellen. Das Vorhandensein von
Schutzkonzepten soll stichprobenartig seitens der Schulaufsicht überprüft
werden.
- Änderung der Grundlage für eine Meldung im Sinne des Gewaltmonitorings
(GEMON): Das gegenwärtige Gewaltmonitoring sammelt Vorfälle psychischer
oder physischer Gewaltanwendungen in Schulen, die nach § 25 Absatz 3 des
Schulgesetz S.-H. mit einer Ordnungsmaßnahme sanktioniert wurden. Es fehlt
eine systematische Auswertung der Daten, verbunden mit fachlichen
Handlungsableitungen für die Prävention und die Intervention, die
zukünftig in die multiprofessionelle pädagogische Arbeit einfließen
sollten. Unterhalb der definierten Schwelle im Gewaltmonitoring gibt es
ein erhebliches „Graufeld“ psychischer und physischer Gewalt. Ziel muss es
sein, einen möglichst vollständigen Überblick über Gewaltvorfälle und
entsprechende Handlungsmöglichkeiten an Schulen zu erhalten.
Extremistische, queerfeindliche oder antisemitische Konflikte sollten
separat ausgewiesen werden.
- Schaffung von zentralen interdisziplinären Krisenteams bestehend aus
Vertreter*innen von Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeit, Polizei,
Jugendhilfe, Notfallseelsorge, Lehrkräften, Schulverwaltung und lokalen
Akteuren wie den KIK-Netzwerken. Diese sollen jeweils in den Kreisen und
kreisfreien Städten angesiedelt werden und die jeweiligen Schulen
präventiv beraten und unterstützen, aber auch als schnelle, geschulte
Unterstützung zur Bewältigung und Nachsorge nach einem Krisenfall tätig
werden. Grundlegend dafür ist eine gute personelle und sachliche
Ausstattung der genannten Akteure seitens des Landes und der kommunalen
Ebene. Die bestehenden Kooperationskreise nach § 12 Kinderschutzgesetz S.-
H. können als Basis für die Weiterentwicklung der Krisenteams dienen oder
dies in ihrer Schwerpunktsetzung berücksichtigen. Notwendig ist dafür eine
Evaluation der bestehenden Interventions- und Kooperationskreise, um diese
wirksam zu verbessern. Zur Sicherstellung der Präventionskette sollen
außerdem auf Elternabenden und Konferenzen die örtlichen
Präventionsangebote und zuständigen Ansprechpersonen vorgestellt werden.
- Die Hochschulen des Landes mit entsprechendem Wissenschaftsprofil und das
IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein)
sollen in die Lage versetzt werden, die Prävention und Intervention im
Rahmen schulischer Schutzkonzepte durch Fort- und Weiterbildungsangebote
zu unterstützen. Die Entwicklung wirksamer pädagogischer
Handlungsleitlinien für Lehrkräfte im Umgang mit politischem und
religiösem Extremismus und Gewaltverherrlichung an Schulen ist ein
weiteres Feld, in dem IQSH, Hochschulen und, im Kontext der Zunahme an
rechtsextremen Tendenzen an Schulen, die regionalen Beratungsteams gegen
Rechtsextremismus kooperieren sollten. Das IQSH und die Hochschulen sollen
in die Lage versetzt werden, ihre Fortbildungsangebote in diesem Bereich
auszubauen. Eine anteilige Flexibilisierung der Fortbildungen durch das
Angebot von Abruf- und Onlineveranstaltungen sollte mitgedacht werden. Es
muss außerdem sichergestellt werden, dass die Schulen über ausreichend
finanzielle Mittel verfügen, um externe Präventionsangebote wie
beispielsweise „Ziggy zeigt Zähne“ durchführen zu können.
- Ausbau der medienpädagogischen Angebote sowie Unterrichtsmaterialien in
den Schulen unter Einbeziehung der schulischen Medienentwicklungsplanung
seitens des IQSHs, welche handlungsbezogen Inhalte für verschiedene
Schularten und Altersgruppen bereitstellt. Insbesondere der Bereich der
Kooperationsentwicklung soll weiter in den Fokus gestellt werden. Denn wer
Kinder und Jugendliche begleitet, steht zunehmend vor der Herausforderung,
den bewussten Umgang mit digitalen Medien zu fördern und eine sichere
Online-Umgebung zu schaffen. Der Ausbau von Medienprävention muss daher
zugleich als ganzheitliche Unterstützung für Erziehungsberechtigte und
Familien wirken. Schon ab der Grundschule muss die Bedeutung des sich
wandelnden Medienkonsums stärker auf Elternabenden thematisiert werden.
Dazu können beispielsweise die Aufklärung zu den Gefahren von Medien,
mehrsprachige Informations- und Gesprächsangebote sowie die Möglichkeiten
der praktischen Unterstützung zum sicheren Agieren in digitalen Räumen
gehören.
- Ausbau der Schulgesundheitsfachkräfte sowie der Schulsozialarbeit an
Grundschulen und weiterführenden Schulen in Schleswig-Holstein, um
Lehrkräfte kompetent darin zu unterstützen, die physische und psychische
Gesundheit von Schüler*innen zu fördern. Die Schulgesundheitsfachkräfte
und die Schulsozialarbeiter*innen können ansprechbar sein bei vielfältigen
Herausforderungen im Schulalltag. Die Finanzierung darf dabei nicht allein
Aufgabe des Schulträgers sein.
- Ausbau der schulpsychologischen Versorgung auf ein angemessenes Verhältnis
von Schüler*innen zu Psycholog*innen, um eine Beachtung der verschiedenen
Präventionsstufen zu gewährleisten und auch Raum für primäre Prävention zu
geben. Für Lehrkräfte sollen zusätzlich regelmäßig Termine zur Supervision
und für Fallkonferenzen ermöglicht werden. Ein Verhältnis von 1:1000 und
eine Zuständigkeit für max. fünf Schulen pro Schulpsycholog*in fordert
beispielsweise der Bund Deutscher Psycholog*innen (BDP) im „Berufsprofil
Schulpsychologie“ schon seit 2008. In einem ersten Schritt könnten dafür
exemplarisch die aus dem Sofortprogramm gestellten 15 befristeten Stellen
entfristet werden, um qualifiziertes Personal nicht zu verlieren. Eine
Vernetzung mit den neu entstehenden traumapädagogischen Angeboten an
Grundschulen soll unterstützt werden. Auch sollte die Mitwirkung an
schulbezogenen Aufgabenstellungen der lokalen Netzwerke zum Kinder- und
Jugendschutz nach § 8 Kinderschutzgesetz S.-H. gefördert werden.
- Berücksichtigung von Mental Health im Unterrichtsalltag: Es braucht mehr
Aufmerksamkeit für die psychischen Stressfaktoren von Kindern und
Jugendlichen. Das Aufwachsen in krisenhaften Zeiten, enorme zeitliche
Belastung und unsichere Zukunftsaussichten setzen viele junge Menschen
unter enormen Stress. Das Thema “Mental Health” muss daher im
Unterrichtsalltag flächendeckend berücksichtigt werden beispielsweise
durch die Unterrichtsprogramme „Psychische Gesundheit und Schule“ oder
“MindMatters”. Auch eine Ausweitung des Bundesprogramms “Mental Health
Coaches” an Schulen in SH kann dafür sorgen, dass die Thematik angemessen
berücksichtigt wird. Wichtiger Faktor für psychische Stressfaktoren ist
die zeitliche Belastung von Schüler*innen. Schulen müssen daher darauf
achten, den Schüler*innen angemessenen Raum für Freizeitaktivitäten und
Entspannung zu geben und die schulischen Anforderungen auf ein
angemessenes Maß zu begrenzen.
- Queerfeindlichkeitals Diskriminierungsform soll im bisherigen Entwurf zur
Änderung des Schulgesetzes in § 4 berücksichtigt werden. Außerdem soll
verstärkt geprüft werden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um
Schulen zu sicheren Orten für queere Schüler*innen, Lehrkräfte sowie alle
im Schulkontext aktiven Personen zu machen.
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