LPT 5/2024: Krankenhausstrukturreform nutzen – Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein zukunftsfähig machen

Der Landesverband von B´90/Die Grünen Schleswig-Holstein stellt fest, dass eine
Krankenhausstrukturreform längst überfällig ist. Das aktuelle
Finanzierungssystem setzt falsche Anreize und die Strukturen, sowie personelle
Ressourcen werden nicht optimal eingesetzt. So entsteht ein Gemisch aus
Überversorgung an der einen und Unterversorgung an der anderen Stelle.

Diese Fehlentwicklungen sind bereits seit mehreren Jahren bekannt, leider hat es
bisher an politischen Mehrheiten gefehlt, um diese Missstände zu beseitigen. Die
aktuellen Insolvenzverfahren und die Tatsache, dass nur noch die aller wenigsten
Krankenhäuser in Deutschland schwarze Zahlen schreiben, geht auch auf genau
diesen Reformunwillen der letzten Jahre zurück.

Aktuell müssen Krankenhäuser Versorgungsaufträge zurückgeben, Stationen
schließen oder Standorte ganz aufgeben, weil das starre Finanzierungssystem
nicht länger an die IST-Situation angepasst ist. Wir erleben deshalb seit
mehreren Monaten und Jahren ein ungeordnetes Krankenhaussterben, das die
Gesundheitsversorgung enorm beeinträchtigt und für das Personal neben der
ohnehin schon chronischen Überlastung eine weitere Herausforderung darstellt.

Dies dürfen wir uns auch angesichts des demographischen Wandels nicht länger
erlauben. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, mit der Krankenhausstrukturreform
ein massives Umdenken in der Gesundheitspolitik einzuleiten, um die
Gesundheitsversorgung in Deutschland und Schleswig-Holstein zukunftsfähig zu
machen.

Umsetzung auf Landesebene in Schleswig-Holstein

Der Gesetzgebungsprozess der Krankenhausstrukturreform und die daraus
resultierenden Folgen für die Landesebene sind schon jetzt und werden in Zukunft
deutlich spürbar sein. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Landes- und kommunaler
Ebene bei den nächsten Schritten ist deshalb unbedingt notwendig.

Der Landesverband von B´90/Die Grünen Schleswig-Holstein fordert deshalb, dass

  • das Land Schleswig-Holstein weiterhin im Ländervergleich vorangeht und die
    Strukturreform der Bundesebene im eigenen Land so schnell wie möglich
    umsetzen möchte. Um für die Krankenhausstandorte, das Personal und nicht
    zuletzt die Bevölkerung Planungssicherheit zu schaffen, soll so schnell
    wie möglich auf Basis des neuen Vergütungssystems der neue
    Krankenhausplan für Schleswig-Holstein aufgestellt werden. Basis dessen
    sollen die Ergebnisse der von der Landesregierung in Auftrag gegebenen
    Versorgungsbedarfsanalyse, sowie die Leistungsgruppen und das
    Vergütungssystem sein, das die Strukturreform neu einführen wird. Dabei
    sollen sämtliche Akteur*innen des Gesundheitssystems mit einbezogen
    werden.
  • sich das Land an dem angekündigten Transformationsfonds von 50 Mrd. Euro
    zwischen Bund und Ländern beteiligt, um die enormen finanziellen
    Herausforderungen durch die Strukturreform
    stemmen zu können. Dazu soll auch geprüft werden, wie die
    Investitionskostenfinanzierung des Landes möglicherweise auch
    kreditfinanziert so aufgestellt werden kann, dass sie die notwendigen
    Zukunftsinvestitionen im Gesundheitsbereich erfüllen kann. Dazu gehört
    auch die gezielte Anwerbung von Finanzmitteln aus der EU für die
    klimaneutrale Transformation der Baustruktur und des Krankenhausbetriebs.
  • die sehr komplexen Zusammenhänge der Strukturreform für kommunale und
    politische Entscheidungsträger*innen, sowie das Personal im
    Gesundheitswesen auf verständliche Art und Weise aufbereitet werden. Auch
    die Bevölkerung muss in diesem für die Daseinsvorsorge so entscheidenden
    Prozess besonders mitgenommen werden – Populismus und Halbwahrheiten
    seitens der Politik verbieten sich auch aufgrund der hohen Emotionalität
    vollkommen.
  • sich die Landesregierung weiterhin kritisch und konstruktiv an dem
    Gesetzgebungsprozess und der Durchführung der Krankenhausstrukturreform
    beteiligt. Eine weitere Verzögerung oder gar ein Scheitern der Reform darf
    dabei keine Option sein.

Gesetzgebungsprozess auf Bundesebene

Der Landesverband fordert die Bundestagsfraktion und die Bundesregierung deshalb
dazu auf,

  • eine Vorhaltefinanzierung – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – zu
    etablieren und dadurch eine Abkehr der leistungsorientierten
    Fallpauschalen herbeizuführen. Insbesondere in ländlichen Regionen müssen
    so bestimmte grundversorgende Leistungen auch fallzahlunabhängig
    finanziert und erhalten bleiben.
  • ein System zu etablieren, dass finanzielle Fehlanreize in der
    Vergütungsstruktur identifiziert und transparent macht. Aktuell werden in
    bestimmten Teilbereichen häufig nicht medizinisch indizierte Eingriffe
    durchgeführt, weil diese besonders gut vergütet werden.
    Solche Entwicklungen gilt es auch im kommenden Vergütungssystem frühzeitig
    zu erkennen, um das Wohlergehen der Patient*innen und die Qualität der
    Versorgung in den Mittelpunkt zu stellen.
  • im neuen Vergütungssystem einen Schwerpunkt auf eine nachhaltigere
    Therapie zu legen. So ist bspw. seit Längerem bekannt, dass
    sich der Einsatz von Diätassistent*innen oder Stationsapotheker*innen,
    sowie abgestimmte Medikation- und Ernährungspläne ausschließlich positiv
    auf die Dauer der Therapie und damit den Verbleib in stationären
    Strukturen auswirkt. Dazu gehört auch, dass das Budget pro Patient*in für
    die Verpflegung im Krankenhaus deutlich angehoben werden muss – denn je
    besser die Verpflegung, desto höher der Therapieerfolg. Selbiges gilt für
    die Qualität des Entlassmanagements in ambulante oder häusliche
    Strukturen, etc.
  • sich weiterhin deutlich für ein Vorschaltgesetz und eine finanzielle
    Stütze für die Krankenhäuser einzusetzen, um das weitere, ungeordnete
    Krankenhaussterben zu verhindern. Sehenden Auges den Status Quo zu
    akzeptieren konterkariert nämlich schlichtweg den eigentlichen Sinn der
    Strukturreform als solcher, die ja richtigerweise eine geordnete
    Neustrukturierung unserer Krankenhauslandschaft vorsieht.

Sektorengrenzen (Stationär/Ambulant) überwinden und aufeinander anpassen

Die große Reform des stationären Sektors darf allerdings nicht verkennen, dass
diese auch enorme Auswirkungen auf den ambulanten Sektor haben wird.
Der Landesverband stellt daher fest, dass eine Ausweitung und Vergrößerung des
stationären Sektors kein Ziel der Krankenhausstrukturreform sein darf.
Stattdessen müssen Ambulantisierungs- und Digitalisierungspotentiale voll
ausgeschöpft werden. Gerade dort, wo Krankenhausstandorte wegfallen, muss eine
Stärkung des ambulanten Sektors erfolgen. Solche Strukturen sind am besten
regional gesteuert und beinhalten ganzheitliche Konzepte über den
Gesundheitsbereich hinaus.

Der Landesverband von B´90/Die Grünen setzt sich deshalb dafür ein, dass

  • durch den Wegfall stationärer Angebote noch größere Löcher in den
    Versorgungsstrukturen durch alternative ambulante und innovative Konzepte
    verhindert werden müssen. Dies können Level 1i-Standorte oder andere
    Versorgungsmodelle, telemedizinisch
    abgedeckte Regionen oder verbesserte Kooperationen großer Klinikstandorte
    mit kleineren Strukturen im ambulanten Bereich sein.
  • das Konzept der Gesundheitsregionen für Schleswig-Holstein etabliert
    wird. Perspektivisch entstehen so über Regionalbudgets perfekt aufeinander
    abgestimmte Versorgungsangebote, die Prävention in den Mittelpunkt stellen
    und lokal verwaltet werden und so am
    besten auf den genauen Bedarf vor Ort angepasst sind.
  • es Pflege- und Gesundheitsfachberufen durch bestimmte
    Befugniserweiterungen ermöglicht wird, die Patient*innenversorgung in
    Teilen autonomer und unabhängiger von ärztlichen Verordnungen gestalten zu
    können. Das Pflegekompetenzgesetz auf Bundesebene geht dabei genau in die
    richtige Richtung. Hierzu gehört auch die Öffnung des Direktzugangs für
    Patient*innen zu den verschiedenen Therapieberufen. So werden personelle
    Ressourcen effizienter eingesetzt und die unterschiedlichen Berufsgruppen
    des Gesundheitssystems für mehr Menschen attraktiver.
  • durch ein intelligenteres Patient*innenmanagement und eine notwendige
    Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes wirklich nur
    diejenigen Patient*innen stationär behandelt werden, die es wirklich
    brauchen. Neben vielen anderen Gründen sind die überfüllten Notaufnahmen
    im ganzen Land auch dadurch begründet, dass zu viele Menschen
    fälschlicherweise und ohne echten medizinischen Notfall dort auflaufen.

Abschließend muss allen Beteiligten klar sein, dass die
Krankenhausstrukturreform nur der erste von vielen unbedingt notwendigen
Schritten hin zu einem funktionierenden und zukunftsfähigen Gesundheitssystem
sein kann. Es muss uns gelingen, die Effizienz des Systems so hoch wie möglich
zu halten. Dazu muss auch außerhalb des Gesundheitssystems, sei es in der
Bildungs- oder Sozialpolitik darauf hingewirkt werden, dass die individuelle
gesundheitliche Handlungskompetenz gesteigert und durch ausreichend Prävention
und Gesundheitsförderung die Entstehung von Erkrankungen und dadurch die
Belastung unseres Gesundheitssytems verringert wird.

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