LPT 5/2024: Für fischereifreie Schutzgebiete und eine nachhaltige Fischerei 6. Mai 202416. Juli 2024 Unsere Meere bedecken 70 % der Erdoberfläche, beherbergen Hochrechnungen zufolge mehr als 7 bis 8 Millionen Arten und sind zudem aufgrund ihrer Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf von großer Relevanz für das Weltklima. Auch unsere Küstenmeere in Schleswig-Holstein, die Nord- und die Ostsee, sind enorm relevant für die Biodiversität und für das Klima. Zur nationalen Umsetzung der FFH-Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie wurden deshalb neben dem Nationalpark Wattenmeer zahlreiche weitere Schutzgebiete ausgewiesen. Bedeutende Schutzgüter in Nord- und Ostsee sind unter anderem die Fischfauna, marine Säugetiere (Schweinswal, Kegelrobbe) sowie benthische Lebensräume und Lebensgemeinschaften. Hierzu zählen z.B. neben den Wattflächen und Riffen insbesondere die Seegraswiesen, die aufgrund der hohen CO2-Speicherleistung von Seegras wichtige klimarelevante Funktionen erfüllen. Meeresschutz ist Klimaschutz. In der deutschen Nord- und Ostsee kommen verschiedene Fischfangmethoden zum Einsatz. Die mobile grundberührende Fischerei steht dabei besonders häufig in der Kritik, da die über den Meeresgrund geschleppten Netze diverse negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben. Die Folgen des Einsatzes grundberührender Fanggeräte hängen unter anderem von dem Gewicht und der Anzahl der Bodenkontakte des Netzes ab. Die grundberührende Fischerei betrifft insbesondere die Nordsee. In der küstennahen Ostsee ist vor allem die Nutzung von Stellnetzen ein Problem, weil tauchende Meeresvögel, Robben und Schweinswale sich darin verfangen und ertrinken. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich, wie bereits im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 formuliert, auf allen Ebenen für eine nachhaltige Transformation des Fischereisektors ein. Wir unterstützen Fischer*innen bei der Erweiterung ihrer Tätigkeit von der reinen Entnahme hin zum Monitoring und zur Pflege der Fischbestände. Wir wollen die Rolle der Küstenfischer*innen in der Umweltbildung stärken. Die Grundsätze der Nachhaltigkeit und der ökologisch verträglichen und tierschutzgerechten Fischerei sollen bereits bei der Berufsausbildung vermittelt werden. Ein positives Beispiel hierfür ist das Sea- Ranger-Projekt. Auch die Beschlüsse zum Schutz der Biodiversität von Montreal sowie mehrere Europäische Richtlinien fordern einen nachhaltigen Schutz der Meeresumwelt. Insbesondere benthische Lebensgemeinschaften und Organismen wie Kaltwasserkorallen, Riffe, Sandbänke, Seegraswiesen und Wattgebiete müssen wirksam vor negativen Auswirkungen durch grundberührende Fanggeräte geschützt werden. Im kürzlich veröffentlichten „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ hat die Landesregierung angekündigt, auf 12,5% der schleswig-holsteinischen Ostseefläche fischereifreie Gebiete auszuweisen. Der Landesparteitag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein fordert, dass im gesamten Küstenmeer Schleswig-Holsteins, auch in der Nordsee, ausgedehnte Zonen ohne jegliche extraktive Nutzung (auch ohne Sand- und Kiesabbau) eingerichtet werden und in Zusammenarbeit mit den Fischereibetrieben eine nachhaltige Fischereiwirtschaft entwickelt wird. 1.) Konsequenter Schutz in Schutzgebieten Wir setzen uns dafür ein, dass – wie in der EU- Biodiversitätsstrategie vorgesehen – mindestens 30% der Meeresfläche einem wirksamen Schutz unterstellt werden. Mittelfristig (bis 2030) sollen 50% der marinen Schutzgebiete, auch im Nationalpark Wattenmeer, als Nullnutzungszonen ohne jegliche extraktive Nutzung ausgewiesen werden. Wichtige Schutzgüter und Lebensräume am Meeresboden sind besonders von den Auswirkungen mobiler grundberührender Fischerei betroffen. Die Fischerei mit Grundschleppnetzen sowohl innerhalb, als auch außerhalb geschützter Meeresbereiche ist höchst problematisch. Von den Stellnetzen sind besonders tauchende Meerevögel und Meeressäuger betroffen. Deshalb ist für uns Fischerei mit Grundschleppnetzen und Stellnetzen in Schutzgebieten keine Option. 2.) Förderung der Entwicklung alternativer/schonender Fangmethoden Für die Meeresgebiete außerhalb der streng geschützten Bereiche sind unter finanzieller Beteiligung der Gesellschaft und unter Beteiligung der lokalen Fischereibetriebe alternative und schonende Fangmethoden und alternative Einkommensmöglichkeiten wie Forschungs- und Umweltbildungsaufgaben zu entwickeln. 3.) Fortführung der Runden Tische Um mit den Fischer*innen vor Ort gemeinsam Wege zu finden, wie sich lokale Krabben- oder Muschelfischerei umweltverträglicher gestalten lässt, sollten die „Runden Tische“ mit Expert*innen aus Fischwirtschaft, Wissenschaft, NGOs und Politik konsequent fortgeführt werden. Die Entscheidungen müssen sich an den Realitäten der Biodiversitätskrise und der Klimakrise, aber auch an der Realität der Fischer*innen vor Ort orientieren. Gemeinsames Ziel sollte hierbei der konsequente Schutz der Biodiversität in Nord- und Ostsee sein. Gemeinsam sollen Lösungen und Wege für eine zukunftsfähige und nachhaltige lokale Küstenfischerei erarbeitet werden. 4.) Konsequente Umsetzung der bisherigen Managementpläne für marine Schutzgebiete Nicht nur an Land, sondern auch in den Meeren ist der Erhaltungszustand vieler europäisch geschützter Arten und Lebensräume schlecht. Für die Natura2000- Gebiete liegen Managementpläne vor, in denen die Maßnahmen aufgeführt sein sollten, damit gute Erhaltungszustände erreicht werden. Bislang kommen die meisten Managementpläne in Schleswig-Holstein dieser Aufgabe nicht nach. Es werden in erster Linie Maßnahmen aufgeführt, damit sich der aktuelle (häufig schlechte) Zustand nicht weiter verschlechtert. In vielen Plänen für marine Gebiete werden als Maßnahmen lediglich freiwillige Vereinbarungen aufgelistet. Diese sollten dann hinsichtlich ihres Erfolges überprüft werden. Falls der gewünschte Erfolg sich durch die freiwilligen Vereinbarungen mit den Nutzergruppen nicht nachweisen lässt, sollten verbindliche Maßnahmen formuliert werden. Wir fordern, gemäß dem EU-Aktionsplan „Schutz und Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ unverzüglich alle Managementpläne zu überarbeiten und verbindliche Maßnahmen zur Besserung der Erhaltungszustände in den Schutzgebieten einzuführen. Das Thünen- Istitut weist in einer aktuellen Publikation darauf hin, dass Einschränkungen bei der Fischerei für eine Bestandserholung allein nicht mehr ausreichen. Vielmehr muss das Nahrungsnetz an sich rehabilitiert werden. Das gelingt nur, wenn man länderübergreifend alle Möglichkeiten ausschöpft, um die Überdüngung der Ostsee in den Griff zu bekommen. 5.) Eintrag von Dolly Ropes in die Meeresumwelt stoppen Dolly Ropes sind Kunststoffseile, die in der mobilen grundberührenden Fischerei als Scheuerschutz für die Netze zum Einsatz kommen. Da sich die Dolly Ropes nach einer Zeit von den Netzen ablösen und in die Umwelt gelangen, setzen wir uns für einen geregelten Ausstieg ein. Langfristig müssen Netze so konstruiert sein, dass Dolly Ropes nicht mehr gebraucht werden. Übergangsweise können Alternativen zu Kunststoff-Dolly Ropes aus abbaubaren Materialien und innovative Netze mit leichterem Bau oder weniger Bodenkontakten eine sinnvolle Lösung sein. Der Ausstieg aus der Nutzung von Dolly Ropes muss EU-weit geregelt werden. Wir appellieren an alle Amts- und Mandatsträger*innen von Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein, sich für eine solche Regelung einzusetzen.