LPT 24.03.2019 – Flächenverbrauch in SH an Nationaler Nachhaltigkeitsstrategie orientieren – Fortschreibung Landesentwicklungsplan 24. März 2019 1) Der Landesparteitag bittet die Landtagsfraktion und die Grünen Kabinettsmitglieder, den Entwurf der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans (LEP) zu verbessern und auf folgende Änderungen hinzuwirken: • Konkrete landesweite Flächenverbrauchziele im Sinne der von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie müssen im LEP benannt und verbindlich eingehalten werden. Ausgehend von einem Flächenverbrauch von 2,7 Hektar pro Tag in 2018 ist er über 2,0 Hektar pro Tag in 2024 auf das von der Bundesregierung festgelegte Ziel von 1,3 Hektar pro Tag in 2030 zu verringern. • Untersuchung und Bewertung der genannten Flächenverbrauchziele durch die Landesregierung anhand eines regelmäßigen Monitorings in Analogie zu §5 des „Energiewende und Klimaschutzgesetzes in Schleswig-Holstein“ vom März 2017. Sie ist dem Landtag einmal jährlich vorzulegen. Es sind darin Angaben zu dem genehmigten sowie tatsächlichen Flächenverbrauch bezüglich wohnbaulicher, gewerblicher, verkehrsinfrastruktureller und energiewirtschaftlicher Herkunft zu treffen. • Bei einer Feststellung von Zielverfehlungen im Rahmen des Monitorings muss die Landesregierung zusätzliche Maßnahmen entwickeln und umsetzen, um die Zielverfehlungen zeitnah auszugleichen. 2) Der Landesparteitag bittet die Landtagsfraktion, die Inkraftsetzung des geänderten Wohnungsbaubemessungsrahmens des LEP seitens der Landesregierung ohne vorheriges öffentliches Beteiligungsverfahren zu überprüfen. 3) Der Landesparteitag fordert die Landtagsfraktion weiterhin auf, eine Rechtsgrundlage erarbeiten zu lassen, die zum Ziel hat, über eine Bundesratsinitiative den Ausgleich von Flächenverbrauch in der Bundesgesetzgebung zu regeln. Die zukünftige Kompensationsregelung soll – entsprechend dem in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie festgeschriebenen Netto-Null-Verbrauch in 2050 – einen Ausgleich durch Entsiegelungen von äquivalenten Flächenanteilen vorsehen. Das Energiewende- und Klimaschutzgesetz in Schleswig-Holstein vom März 2017 ordnet der Landesregierung eine Vorbildfunktion zu (§4). Leider wurde im Rahmen dieser eher technisch orientierten Gesetzgebung vergessen, den Faktor Flächenverbrauch mit einzubeziehen. Im Januar 2019 hat der Landtag auf Antrag der Koalition ein „Landesprogramm zum Schutz der Böden und zur Minderung des Flächenverbrauchs“ verabschiedet, das in krassem Widerspruch zu dem zurzeit anhängigen ersten Entwurf der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans 2010 steht, der vom Kabinett im November 2018 beschlossen wurde. Wesentliche Bestimmungen daraus wurden zum 17.12.2018 vor der öffentlichen Anhörung und den Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange von dem Innenministerium für rechtsgültig erklärt. Der LEP sowie die Ende 2016 verabschiedete „Landesentwicklungsstrategie 2030“ stellen die übergeordneten landesweiten Ziele und Grundsätze zur Raumordnung im Planungsmaßstab 1:300.000 auf Landesebene dar. Die nachgeordnete Planungsebene sind die vier regionalen Landschaftsrahmenpläne. Sie werden seit 2014 neu bearbeitet und sind zurzeit ebenfalls in der Stellungnahmephase der öffentlichen Beteiligung. Sie sollen die regionalspezifischen und kleinräumigeren Umweltdaten im Maßstab 1:100.00 abbilden. Die Fortschreibung des Landesentwicklungsplans Schleswig-Holstein setzt am derzeit gültigen Landesentwicklungsplan 2010 an und umfasst zahlreiche Einzelaspekte. Die im LEP 2010 enthaltene Gliederungsstruktur und das im LEP 2010 enthaltene Themenspektrum wird in weiten Teilen übernommen oder „weiterentwickelt“ und den aktuellen Belangen angepasst, beziehungsweise ergänzt. Das Thema Windenergie wurde in einem eigenen, derzeit laufenden Verfahren abgekoppelt. Von umwelt- und klimapolitischer Relevanz sind insbesondere die Themen: wohnbauliche Entwicklung und großflächiger Einzelhandel, Verkehr und Mobilität, Klimaschutz und Klimaanpassung sowie Tourismus. In all diesen Kapiteln geht es darum, die Landesplanung zu „liberalisieren“ und zu vereinfachen, um dem Wachstum keine Grenzen zu setzen. Ein Ziel, das dem Klima- und Umweltschutz diametral entgegensteht. Flächenverbrauch ist ein zentraler Pfeiler in der Degrowth-Debatte. Der LEP 2010 sollte ursprünglich bis 2025 gelten. Laut Koalitionsvertrag wird er nun nach nur acht Jahren fortgeschrieben. Hintergrund der Vereinbarung ist die Befürchtung von Wirtschaft und Politik, vorzeitig an eine gesetzlich verordnete Wachstumsgrenze zu stoßen. Der LEP begrenzt die Entwicklung des Wohnungsbaus auf 10% mehr Wohneinheiten in kleineren Gemeinden, bzw. 15% in Städten. Diese Werte beziehen sich auf den Wohnungsbestand vom 1.1.2010 und sollten bis Ende 2025 gelten. Bis Ende 2018 haben jedoch schon weit mehr als 100 der 1.106 Gemeinden in Schleswig-Holstein, insbesondere in dem Speckgürtel um Hamburg und um Kiel, Flensburg und Husum, die Ihnen vom LEP 2010 zugebilligten Wachstumsraten der wohnbaulichen Entwicklung überschritten. Ohne Änderung des LEP ist es den kommunalen Selbstverwaltungen in diesen Orten nur noch über Ausnahmeanträge des Innenministeriums möglich, die von ihnen gewünschten Bauleitplanungen auszuführen. Ein Verfahren, das insbesondere im Hamburger Umland schon sehr offensiv angegangen wird. Nun soll die Bemessungsgrundlage flink auf den Zeitpunkt 31.12.2017 verschoben werden. Damit werden gerade diejenigen Kommunen belohnt, die in den vergangenen acht Jahren mit Ihren Flächen herumgeaast haben und ihr Kontingent weit vor der Zeit ausgeschöpft haben. Seit 1992 geht in Schleswig-Holstein durch die Versiegelung jährlich etwa 0,1% der Landesfläche für die Wasserregeneration und für die CO2-Bindung verloren. Die prozentuale Zunahme der Flächenversiegelung in dem Land zwischen den Meeren war im letzten gemessenen Vergleichszeitraum (2000 – 2009) die höchste aller Bundesländer. 9.400 ha oder 94 km², gingen in diesen 9 Jahren in Schleswig-Holstein durch Versiegelung verloren. Das entspricht der Fläche der beiden Städte Rendsburg (23,8 km²) und Neumünster (71,6 qkm) zusammen! Die Landesplanung konterkariert die klimapolitischen Ziele der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung in eklatanter Weise. Die Landesregierung treibt mit der Fortschreibung den raumordnerischen und klimapolitischen Wahnsinn wider besseres Wissen weiter an. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie von 2016 legt für Schleswig-Holstein einen Flächenverbrauch von 1,3 Hektar pro Tag bis 2030 als Ziel fest. 2050 soll ein Nettonullverbrauch erreicht werden. Bis 2016 sollte das 1,3 ha-Ziel übrigens schon 2020 erreicht werden. Tatsächlich verliert das Land zwischen den Meeren aktuell täglich knapp 3 Hektar Boden (wahrscheinlich sogar rund 5 Hektar) durch die Siedlungsentwicklung, durch Gewerbegebiete, Verkehrsinfrastruktur und Energie- sowie Rohstoffwirtschaft. Das Ziel wird also noch eklatanter als das nationale Klimaschutzziel gerissen. Es gibt mehrere Indikatoren dafür, dass sich der Flächenverbrauch In Schleswig-Holstein in den letzten neun Jahren eher noch weiter gesteigert hat. Neben dem Straßenbau (allein für die geplante A20 sollen 480 Hektar versiegelt werden) und der Errichtung von Gewerbeflächen geht vom Wohnungsneubau und dem von ihm verursachten zusätzlichen Straßen- und Parkraum die größte Flächenversiegelung aus. Mit der Zunahme des Flächenverbrauchs geht in Schleswig-Holstein jedoch kein äquivalenter Zuwachs der Bevölkerung einher. Die Einwohnerzahlen steigen nur geringfügig. Allein die Umgebung von Hamburg unterliegt einem stärkeren Bevölkerungsdruck durch die hohen Miet- und Bodenpreise in der Hansestadt. Der Verbrauch von Wohnfläche jeder Einwohner*in ist dagegen von 2000 bis 2014 um fast 20%, von 39,5m2 auf 46,5m2 je Einwohner gestiegen (www.umweltbundesamt.de). Es ist deswegen nicht zielführend per se von einer Wohnungsnot zu sprechen. Es geht eher um ein Verteilungsproblem von verfügbarem günstigem Wohnraum und der Frage von Genügsamkeit und Anspruch bei den anderen 80% der Bevölkerung. Wieviel Fläche bedarf ein Mensch zum Glücklichsein? Seit Jahrzehnten ist uns bewusst, dass Flächenversiegelung eine ”schleichende Dampfwalze” ist, die eine Vielfalt von Problemen aufwirft. Flächenfraß und Versiegelungsmaßnahmen sind meist nur mosaikhaft wahrnehmbar. Wir sind nur episodisch betroffen: Mal sind wir kurzfristig empört von dem vollflächig versiegelten neuen Gewerbegebiet, bevor wir uns dann an den Anblick gewöhnt haben, mal nehmen wir das neue Pflaster der Garagenauffahrt des Nachbarn eher beiläufig wahr. Unsere Böden haben sich über Jahrtausende entwickelt. Ihr Schutz ist für unser Wohlergehen und das kommender Generationen unabdingbar. Und vor allem: Boden und Fläche sind nicht vermehrbar. Jeder verlorene Quadratmeter hat eine klimapolitische Dimension, die wir im Alltag schnell verdrängen. Die Zusammenhänge von Flächenverbrauch, energetischer Rückstrahlung, verstärkter Wärmeabsorption, verminderter CO2-Bindung, Probleme des Oberflächenabflusses bei Starkregen und mangelnder Wasserneubildung sowie Verlust von Lebensräumen, Biodiversität, natürlichen Wirtschaftsflächen und Landschaftsbild sind noch weitgehend unbeachtet. Eine Forderung nach einer bundesgesetzlichen Kompensierung von Versiegelung durch gleichzeitige Entsiegelung im Verhältnis eins zu eins ist deshalb dringend geboten und einzufordern. Sie wird bisher leider parteiübergreifend als realitätsfern abgetan. Hier fehlen noch die politische Vision und Phantasie der Regierenden. Die Deich- und Sielverbände des Landes warnen: Die Kosten für die Entwässerung in Schleswig-Holstein explodieren durch Starkregenereignisse. Auf rund einem Fünftel der Fläche Schleswig-Holsteins, den sogenannten Niederungsgebieten, die sich keine 2,5 Meter über den Meeresspiegel (Normal Null) erheben, droht zunehmend „Land unter“. Wegen der niedrigen Höhe und des geringen Gefälles müssen diese Flächen im Binnenland künstlich und mit hohem Energieaufwand entwässert werden. Starkregen und Versiegelungen durch Gewerbegebiete, Wohnungs- und Straßenbau verschärfen die Situation. Das Gefälle zum Meer wird zudem, z.B. durch Moorsackungen infolge von Entwässerungsmaßnahmen und die zunehmende Aufschlickung des Wattenmeers durch den Meeresspiegelanstieg, immer flacher. Die Folge: viel Wasser kann immer schlechter abfließen und erschweren und verteuern die Entwässerung stetig. Mit den oben genannten Beschlüssen sind mehrere Forderungen verknüpft: Anders als in dem bisherigen Entwurf der Fortschreibung des LEP müssen die zahlenmäßigen Angaben zum Flächenverbrauch als ”Ziele” festgeschrieben werden und nicht wie bisher als unverbindliche ”Grundsätze”. Eine Überschreitung von Grundsätzen macht kein Verwaltungshandeln notwendig und führt zu keinerlei Konsequenzen oder gar Sanktionen bei deren Überschreitung. Erst eine Nennung von konkreten Zielen und Zwischenzielen macht die Kontrolle über die Entwicklung und das Ausmaß der Umweltauswirkung sowie eine Reaktion von Politik und Öffentlichkeit als Konsequenz möglich. Dazu kann auf die im Landesplanungsgesetz formulierten Monitoring- und Evaluationsprogramme zurückgegriffen werden. Die daraus gewonnenen Ergebnissen sind dann jährlich mit den gesetzten Zielen abzugleichen. Einer Fehlentwicklung ist mit geeigneten verwaltungstechnischen Mitteln gegenzusteuern und ist politisch zu begleiten. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Politik an gerissenen Zielen gemessen werden kann und die Fortschreibung des LEP nicht auf Kosten unserer klimapolitischen Zukunft erfolgt.