Coronaaktionsplan für Kinder und Jugendliche

Coronaaktionsplan für Kinder und Jugendliche

Die Pandemie droht die soziale Ungleichheit in der Bildung dramatisch zu verschärfen. Gerade Kinder mit schlechteren Startchancen wurden nur noch schwer oder gar nicht mehr von Bildungsangeboten erreicht. Rund ein Fünftel der Kinder kehrt mit einer großen Bildungslücke zurück in die Schule. Bund, Länder und die Spitzenverbände der Kommunen müssen an einen Tisch, um einen umfassenden bundesweiten Bildungsrettungsschirm für zusätzliche Lernförderung aufzulegen. Damit jedes Kind den Anschluss behält, sowohl bei den Lehrinhalten als auch bei kognitiven und sozialen Entwicklungen, müssen wir föderale Barrieren überwinden, Angebote besser koordinieren und Hilfen und Zuständigkeiten bündeln. Die soziale Ungleichheit trifft besonders hart Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Bei den nachfolgenden Forderungen sind von daher auch immer Kinder und Jugendliche mit Behinderung einzubeziehen.

 

Für Jugendliche, die am Beginn ihres beruflichen Lebens stehen, brauchen wir eine klare Perspektive und Zusagen der Förderung, auch finanzieller Art. Wir können uns nicht leisten, die Fachkräfte von morgen nicht zu unterstützen, im Gegenteil. Als Grüne Partei müssen wir für gute Startchancen und eine unabhängige Jugend eintreten, eine gute und breit gefächerte Ausbildung oder ein den individuellen Interessen und Fähigkeiten entsprechendes Studium soll jedem jungen Menschen in Schleswig-Holstein möglich sein.

 

Ein Jahr nach Beginn der Pandemie leidet fast jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten. Sorgen und Ängste haben zugenommen und depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund sind davon betroffen. Auch Hinweise auf Vernachlässigung und Gewalt in überforderten Familien nehmen zu.

 

Junge heranwachsende Menschen brauchen Gleichaltrige, brauchen ihre Peergroup, brauchen Freiräume um sich zurecht zu finden und zu positionieren, selbständig zu werden und ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Deshalb sind informelle und spontane Begegnungsmöglichkeiten für die Entwicklung junger Menschen so wichtig und müssen entsprechende Angebote durch die offene Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit auch in Pandemiezeiten möglich sein.

Als Landesverband Schleswig-Holstein von Bündnis 90/Die Grünen SH fordern wir deshalb:

  1. Einen Systemübergreifenden Corona-Krisenstab in der Landesregierung für die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Hier sollen das Bildungs- und das Sozialministerium, Jugendliche, Kinder- und Jugendbeiräte, Schülervertretungen und Jugendverbände, Elternvertretungen, Pädagog*innen, Psycholog*innen und Schulsozialarbeit, sollen auch Flüchtlings- und DAZ-Koordinator*innen, Vertretungen der Kreise und Städte und die Jobcenter einbezogen werden. Über ein Monitoring soll die Situation von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie schärfer im Blick behalten werden. Insbesondere die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen hilft bei der ganz praktischen Umsetzung von Kinderrechten.
  2. Soziale Benachteiligungen sollen unbürokratisch aufgelöst und Teilhabe ermöglicht werden. Dafür soll im ganzen Land die Aufklärungs- und Beratungspflicht nach SGB I, §§ 13 & 14 eingehalten und Anspruchsberechtigte gerade in der Pandemie aktiv unterstützt werden. Der Zugang zu allen Leistungen, auf die Kinder und Jugendliche auch nach neuen Beschlüssen Anspruch haben, soll erleichtert und die Beratung intensiviert werden. Ziel muss auch sein, eine große Erreichbarkeit zu gewährleisten und Sprachbarrieren abzubauen.
  3. Lehrer*innen, (Schul-)sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen, DAZ-Koordinator*innen und Flüchtlingsbetreuer*innen sollen die Beantragung von Bildungs- und Teilhabeleistungen (BuT) für die von ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und Institutionen selbst vornehmen können. Für Fälle, in denen eine solche Zusammenarbeit mit den Ämtern nicht realisiert werden kann, soll es einen landesweiten Härtefallfond geben.
  4. Kitas sollen mit einem Budget für die zusätzliche Förderung von Kindern mit sprachlichem, kognitivem und sozialem Förderbedarf ausgestattet werden und die Inanspruchnahme von Notbetreuung soll für diese Kinder zu jedem Zeitpunkt gewährleistet werden.
  5. Schulen sollen mit der Finanzierung von zusätzlichem Personal unterstützt und ein attraktives Bonusprogramm für Lehrkräfte geschaffen werden. Pädagog*innen, die am besten wissen, wo es hakt, sollen unbürokratisch und flexibel auf Bildungsrückstände reagieren können und dafür auch eine weitere finanzielle Anerkennung erhalten. Kinder mit Anspruch auf Schulbegleitung sind in die Notbetreuung aufzunehmen, da sie hier auf angemessene Weise von den Schulbegleiter*innen unterstützt werden können.
  6. Das kostenlose Mittagessen in Pandemiezeiten muss gewährleistet werden. Die Landtagsfraktion wird gebeten, mit dem Sozialministerium und den Kreisen ein unbürokratisches Vorgehen abzustimmen und die Kommunen und Träger bei der Aufstellung einer Versorgungsstrategie für Kinder und Jugendliche aktiv zu begleiten und zu unterstützen. Als Anschubfinanzierung für die Verpflegungskosten werden zusätzliche Haushaltsmittel von 500.000€ im Land bereitgestellt. Die Landtagsfraktion wird zudem gebeten, eine Bundesratsinitiative anzustoßen, die aus dem Recht auf Teilhabe an der Gemeinschaftsversorgung in Kita und Schule, ein Recht auf einen Lebensmittelzuschuss bei pandemiebedingten Einschränkungen macht.
  7. Die flächendeckende Einführung eines Kinderteilhabepasses und/oder einer Bildungskarte soll vorangetrieben werden, um Teilhabe im schulischen und im außerschulischen Bereich unbürokratisch zu gewährleisten. Die Kreise sollen dafür mit fachlicher Beratung sowie finanzieller Förderung der nötigen Umsetzung und Software unterstützt werden. Eine landesweite Anerkennung wäre wünschenswert.
  8. Kinder müssen in dieser Situation ganzheitlich aufgefangen werden, neben gezielter schulischer Förderung brauchen sie persönliche Ansprache, gezielte Förderangebote und einen niedrigschwelligen Zugang zu sozialpädagogischer und psychosozialer Unterstützung. Wir fordern die Umsetzung vorliegender Konzepte zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie mit monatelangem Shutdown und verunsicherten Erwachsenen unter Einbeziehung von Sozialarbeit, Erziehungsberatungsstellen und weiteren Hilfsangeboten. Da in dieser Zeit Kinder und Jugendliche vor allem an Schulen erreicht werden können, müssen Schulen explizit für diese Angebote geöffnet werden, um die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen.
  9. Junge Menschen brauchen Freiräume. Sie brauchen ihre Peer-Group als Erfahrungs- und Entwicklungsraum. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendverbände sollten unter Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln Begegnungen von Kindern und Jugendlichen ermöglichen und bei pandemiebedingter Notwendigkeit so spät wie möglich geschlossen und so früh wie möglich wieder geöffnet werden. Die Angebote sollten nicht nur in festen Gruppen bestehen, sondern auch informelle und spontane Begegnungsmöglichkeiten ermöglichen, die für die Entwicklung junger Menschen unverzichtbar sind. Wir unterstützen ausdrücklich die Einrichtung von Modellprojekten auch in diesem Bereich mit wissenschaftlicher Begleitung. Auch Ferien- und Freizeitangebote sollen unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen wieder möglich sein. In Absprache mit den Verbänden der Kinder- und Jugendarbeit sollte ein Stufenplan zur Wiederaufnahme der Arbeit erarbeitet werden. Aufgrund der vielfältigen und unterschiedlichen Angebote und Vereinsstrukturen sollte dies regional abgestimmt werden.
  10. Die Angebote der freien und der öffentlichen Jugendhilfe leisten einen notwendigen Beitrag zur Förderung und Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien und auch im Kinderschutz. Jugendsozialarbeit, Frühe Hilfen und alle Formen der Hilfen zur Erziehung sind auch in der Pandemie sicherzustellen. Die Angebote der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) müssen für alle erreichbar bleiben. In der Kinder- und Jugendhilfe und in der Kinder- und Jugendarbeit muss analog zu Kita und Schule die Test- und Impfstrategie weiterentwickelt werden.
  11. Die Landtagsfraktion wird gebeten, die Entwicklung eines Schleswig-Holsteinischen Ausbildungsgarantie voranzutreiben und mit Berufsschulen, Jugendberufsagenturen, Kreisen, Kommunen, Handelskammer und Verbänden ein System zur Umsetzung dieser zu entwickeln. Extraprogramme, die die Betriebe, die Fachschulen und die Jugendlichen im Blick haben, sollen auch finanziell gefördert werden. Damit alle Jugendlichen am Übergang von der Schule in den Beruf gute Beratung aus einer Hand und unter einem Dach erhalten, sollen flächendeckend Jugendberufsagenturen weiter gefördert werden. Die Landtagsfraktion wird zudem aufgefordert sich beim Wirtschaftsministerium dafür einzusetzen, dass Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen für die duale Ausbildung intensiviert und auch finanziell unterstützt werden.
  12. Die Landtagsfraktion wird gebeten, eine Bundesratsinitiative zu verfolgen, die sich für eine Studienstarthilfe von 800€ für junge Menschen in Bedarfsgemeinschaften einsetzt und zudem eine Unterstützung für mind. 6 Monate in Höhe des Bafög-Höchstsatzes auch für alle anderen Student*innen leistet, die in 2021 ein Studium begonnen haben oder beginnen, und deren Eltern unter 100.000 Bruttoverdienst liegen (vgl. Elternunterhalt in der Pflege).
  13. Die Landtagsfraktion wird zudem gebeten, ein breites Angebot an Studienplätzen zu fördern und insbesondere im Bereich Verkehrsplanung, Ingenieurswesen und in der sozialen Arbeit auf mehr Plätze hinzuwirken. Der hohe Bedarf an Fachkräften in den kommenden Jahren muss durch eine Anpassung des Angebots an Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten in diesen Bereichen abgesichert werden. Besonders duale Studienplätze ermöglichen einen praktischen Bezug, eine finanzielle Absicherung der Studierenden und erhöhen die Bindung an die Arbeitgeber*innen und sollten ausgeweitet werden.
  14. Die Landtagsfraktion wird gebeten, sich für niedrigschwellige und unbürokratische Finanzierungsmöglichkeiten für sozialwissenschaftliche Forschungsprojekte zur Erarbeitung von Maßnahmen, die bei der Bewältigung psychischer Folgen der Pandemie helfen sollen, einzusetzen.

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