Das ist staatlich organisierte Härte gegen die Schwächsten

Zum gestern veröffentlichten Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, sagt der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Schleswig-Holstein, Gazi Freitag:

„Was wir vorgelegt bekommen haben ist kein Vertrag für die Zukunft. Es ist ein Dokument der Verzagtheit, der Besitzstandswahrung – ein Koalitionsvertrag, der keine Richtung weist, sondern Angst hat vor Veränderung. Ein Vertrag, der sagt: Weiter so – während unsere Gesellschaft nach echter Erneuerung ruft.

Dieser Vertrag nennt sich „Verantwortung für Deutschland“. Doch für wen wird hier Verantwortung übernommen? Es ist die Verantwortung für eine kleine, privilegierte Minderheit – nicht für die vielen. Nicht für Alleinerziehende, die sich zwischen Kita und Job aufreiben. Nicht für die Auszubildenden, die sich den ÖPNV kaum leisten können. Nicht für die Menschen, die zu uns fliehen, weil sie Schutz brauchen. Denn was hier beschlossen wurde, ist ein Generalangriff auf den solidarischen Gedanken unseres Landes.

In der Sozialpolitik erleben wir die Rückkehr zu Misstrauen, Kontrolle und Sanktionen. Das Bürgergeld, gerade erst als Zeichen moderner Sozialpolitik eingeführt, wird zurückgebaut. Menschen, die in schwierigen Lebenslagen sind, werden mit Sanktionen bedroht, mit Leistungskürzungen, mit Entzug existenzieller Sicherheit. Das ist nicht Gerechtigkeit – das ist staatlich organisierte Härte gegen die Schwächsten!

Die großen und dringend benötigten Reformen sind leider abgesagt. Die Pflegereform ist vertagt und bei der Rente werden Garantien für die Älteren auf Kosten der Jüngeren gegeben. Generationengerechtigkeit geht anders. Positiv ist, dass viele kleinere Maßnahmen dazu beitragen sollen, die Situation von Familien und Alleinerziehenden zu verbessern, die Startchancen von Kindern zu erhöhen durch z.B. die Wiedereinführung der Sprachkitas, die Fortführung des Startchancenprogramms, Frauen besser vor Gewalt zu schützen und für mehr Gleichstellung zu sorgen. Hier gibt es im Koalitionsvertrag Fortschritte gegenüber dem Sondierungspapier.

In der Migrationspolitik erleben wir dagegen eine Zäsur, die Deutschland de facto von einem Einwanderungsland zu einem Hort von Härte und Ausgrenzung macht. Beim Vorhaben, die sogenannte illegale Migration einzudämmen, werden essentielle und einzige legale Ansätze wie der begrenzte Familiennachzug und Aufnahmeprogramme für besonders Schutzbedürftige gleich mit kassiert. Das ist eine umfassende Absage an eine humanitäre Migrationspolitik. Menschenrechte gelten plötzlich nur noch selektiv. Wer flieht, wird nicht mehr als Mensch gesehen, sondern als Störfaktor. Das ist kein Rechtsstaat – das ist Populismus mit Paragraphen!

Gut ist immerhin, dass die Koalition die Arbeitsmarktintegration vorantreiben und die Fachkräftezuwanderung ausbauen will. An beiden Punkten arbeitet die schwarz-grüne Koalition in Schleswig-Holstein von Beginn an intensiv und wird die im Norden gemachten Erfahrungen auch auf Bundesebene einbringen.

Beim Klimaschutz wird das Paris-Ziel beschworen – und im selben Atemzug die Industrie auf Jahrzehnte abgesichert, die dieses Ziel blockiert. Fossile Subventionen, technologische Nebelkerzen. Der Planet brennt – und diese Koalition gießt Öl ins Feuer. Innovation ja – aber bitte nur, wenn sie den Status quo nicht verändert. So wird keine Transformation gelingen. So werden wir sämtliche Krisen, denen wir uns stellen müssen, nicht bewältigen können.

Dieser Vertrag ist kein Aufbruch. Er ist ein Rückfall in alte Denkmuster, er ist ein Dokument der Mutlosigkeit. Wir brauchen jetzt das Gegenteil: Mut, Menschlichkeit, Zukunftsvertrauen.

Die Zeiten verlangen Haltung. Nicht Repression. Nicht Abschottung. Nicht Privilegienpflege. Sondern Solidarität. Gerechtigkeit. Und die tiefe Überzeugung, dass eine bessere Zukunft nur gelingt, wenn wir sie gemeinsam gestalten – mit allen, nicht nur mit wenigen.“

Presseinformation Nr. 004.25 / 10.04.2025

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