LPT 5/2024: Für Menschlichkeit und Solidarität: Wir stehen an der Seite von Menschen auf der Flucht! 6. Mai 202415. Juli 2024 Europa und insbesondere Deutschland sollen Frieden, Freiheit und Sicherheit bieten – für Menschen, die hier leben und für Menschen, die aus ihren Heimatländern fliehen müssen. Eine Asylpolitik der Menschenrechte ist Deutschlands grundgesetzliche und historische Verantwortung. Wir Bündnisgrüne in Schleswig-Holstein stehen entschieden an der Seite der Menschen, die zu uns fliehen. Wir sind den Grundsätzen der Menschenrechte, Solidarität und Demokratie verpflichtet. In den meisten Fällen fliehen Menschen, weil sie zur Flucht gezwungen werden. Dabei finden die Geschichten der Menschen auf der Flucht in der politischen Debatte leider oft nur wenig Betrachtung. Für uns Bündnisgrüne ist jedoch klar: Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch und dessen Würde und Freiheit. Dieses Bekenntnis gilt auch für unsere Asylpolitik, uneingeschränkt. Geldleistungen und uneingeschränkten Zugang zu Leistungen für Geflüchtete sichern Wir kritisieren die teils rassistische und diskriminierende Art und Weise, wie die Debatte um die Bezahlkarte geführt wird. Unserer Verantwortung als demokratische Partei mit Regierungsbeteiligungen in Bund und Land sind wir uns zu jedem Zeitpunkt bewusst. Wenn Parteien oder Politiker*innen rassistische Denkmuster reproduzieren, ist das hoch problematisch. Wir verpflichten uns deshalb zu einem diskriminierungssensiblen Sprachgebrach. Die Wortwahl von Politiker*innen darf nicht dazu führen, dass Geflüchtete diskriminiert und kriminalisiert werden. Sprache schafft Realität. Wir stehen an der Seite der Menschen mit Flucht- und Rassismuserfahrungen, die von dem verbreiteten Hass in der politischen Debatte betroffen sind.n Wir sehen, dass die materielle Ungerechtigkeit und Ungleichverteilung von Wohlstand in unserer Gesellschaft zunehmen. Viele Menschen fühlen sich angesichts der sozialen Ungerechtigkeiten und der Krisen in der Welt verunsichert und mit ihren Sorgen nicht beachtet. Gleichzeitig häufen sich Forderungen nach Restriktionen bei denen, die am allerwenigsten haben. Wir konnten wahrnehmen, dass sich diese Debatte nach und durch die Verständigung der Ministerpräsident*innen zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete nochmals verschärft hat. Klar ist, dass die Forderungen nach weiteren Einschränkungen für Geflüchtete kein einziges Problem lösen. Die Ministerpräsident*innenkonferenz hat sich im November 2023 auf die Einführung einer Bezahlkarte für Menschen in der Asylbewerberleistung verständigt, mit einem Beschluss der Chefs der Staatskanzleien Ende Januar 2024 wurden Basis- sowie Zusatzoptionen für die konkrete Umsetzung beschrieben. Der Landtag hat im Februar 2024 beschlossen, dass die Umsetzung und Ausgestaltung der Bezahlkarte in Schleswig-Holstein diskriminierungsfrei sein und so erfolgen muss, dass hiermit Bürokratie effektiv abgebaut wird und, dass das Abheben von Bargeld in Höhe eines vorher definierten Betrags möglich sein muss. Das nehmen wir zur Kenntnis, kritisieren aber, wenn es trotz dessen zu einer Bargeldbegrenzung und weiteren Einschränkung kommen sollte. Land und Kommunen in Schleswig-Holstein wollen die Bezahlkarte nun in einem abgestimmten Verfahren umsetzen, um eine möglichst landesweit einheitliche Anwendung zu gewährleisten. Die Bezahlkarte führt zu einem Bürokratieabbau, wenn dadurch in den Landesunterkünften und Kommunen wöchentlich oder monatlich stattfindende Bargeldauszahlungen abgelöst werden können. Die Bezahlkarte führt dann nicht mehr zu einem Abbau von Bürokratie, wenn sie als Doppelstruktur zu einem bestehenden oder einem notwendigen Konto von Menschen in der Asylbewerberleistung fungiert. Letzteres lehnen wir aus integrationspolitischen Gründen ab. Eine Bezahlkarte kann die Zeit bis zu einem eigenen Konto überbrücken, sie darf nur nicht in Konkurrenz zu der Zur Verfügungstellung eines eigenen Kontos stehen oder ein bestehendes Konto ablösen. Ein eigenes Konto benötigen Menschen für Abbuchungen von Strom-, Telefon- und Internetkosten, aber auch für einen Arbeits- oder Mietvertrag. Ein eigenes Konto ist also eine wichtige Bedingung für gesellschaftliche und berufliche Teilhabe. Rechtliche Klarstellungen im Asylbewerberleistungsgesetz und dem SGB XII durchlaufen auf Bundesebene derzeit Bundesrat und Bundestag (Gesetz zur Anpassung von Datenübermittlung im Ausländer- und Sozialrecht). Hier wird u.a. klargestellt, dass notwendige Bedarfe für das soziokulturelle Existenzminimum sowohl bei Grundleistungs- als auch Analogleistungsempfänger*innen, die über die Bezahlkarte mit reiner Debit-Funktion nicht gedeckt werden könnten, von den Leistungsbehörden als Geldleistung zu erbringen sind, also durch die Ermöglichung von Bargeldabhebung von der Bezahlkarte. Wir befürworten diese Klarstellung, denn für uns als Bündnisgrüne in Schleswig-Holstein ist klar: Sach- statt Geldleistungen für Geflüchtete lehnen wir als entmündigend und bürokratisch ab. Eine Bezahlkarte ist eine Geldleistung, die in digitaler Form erbracht werden soll, sie darf nicht zur Sachleistung umdefiniert werden. Es ist eine Scheindebatte um Geldüberweisungen ins Ausland und Geldleistungen als so genannte „Pull-Faktoren“, die sich jeglicher wissenschaftlicher Evidenz entbehrt. Wie vom Bundesverfassungsgericht bereits bestätigt, braucht es existenzsichernde Leistungen, die die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und das Ankommen in Deutschland und Europa ermöglichen. Dieser Grundsatz muss in unserem Bundesland Schleswig-Holstein wie auch auf europäischer Ebene jederzeit gelten. Alle Menschen haben in Deutschland Anspruch auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die kürzlich beschlossene Verlängerung des Bezuges abgesenkter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sehen wir deshalb kritisch. Stattdessen setzen wir uns, wie bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung vereinbart, mindestens für eine Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes entlang der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ein. Der gleichberechtigte Zugang zu medizinischen Leistungen muss für alle Menschen sichergestellt werden. Für uns ist klar: Es dürfen durch ein Kartensystem keine Einschränkungen für die Geflüchteten entstehen, ein konsequent diskriminierungsfreies Modell muss sichergestellt werden. Entsprechend bitten WIR die Landes- und Kommunalpolitik sich bei der Ausgestaltung dafür stark zu machen, dass: • Persönlichkeitsrechte nicht beschränkt werden: Es darf keine Möglichkeit zur Einsicht in Zahlungen der Personen, etwa durch Verwaltungen, geben. Dies birgt ein großes Missbrauchspotential. • Ebenfalls keine Verknüpfung mit Daten aus dem Ausländerzentralregister oder anderen behördlichen Informationen erfolgt, die missbraucht und gegen geflüchtete Menschen eingesetzt werden könnten. Die Datensicherheit muss jederzeit garantiert und sichergestellt werden. • Bargeldabhebungen mindestens in Höhe des persönlichen notwendigen Bedarfs (sog. Taschengeld) ermöglicht werden, damit auchWochenmärkte, Flohmärkte u. ä. ohne Einschränkung für den günstigen Einkauf genutzt werden können. • Warengruppen nicht ausgenommen werden. Es handelt sich um bewilligte Leistungen der Personen, bei denen jede weitere Restriktion ein Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt. • Es keine “de facto Residenzpflicht und Einschränkung der Bewegungsfreiheit” gibt, etwa durch eine geographische Eingrenzung für die Nutzung der Karte. Diese muss mindestens deutschlandweit einsetzbar sein. • Ausgezahlte Leistungen, die der Person zustehen, nicht gesperrt oder eingezogen werden, etwa bei einem Rechtskreiswechsel (folgend der gegenwärtigen Praxis). Das gilt besonders für den Wechsel aus dem AsylbLG-Bezug und mögliche vorher nicht verausgabte Leistungen • die Einrichtung von Bankkonten bei allen Personengruppen, die Anspruch auf die Einrichtung eines Bankkontos (mindestens Basiskonto) haben, mit allen darin enthaltenen Funktionen, erhalten bleibt. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn ausschließlich diejenigen Menschen Zielgruppe der Bezahlkarte werden,die noch keinen Anspruch oder faktischen Zugang zu einem Bankkonto haben • die Ausgabe einer Bezahlkarte an jedes volljährige berechtigte Mitglied des Haushalts erfolgt, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Jedes erwachsene Haushaltsmitglied muss über den individuell zustehenden Leistungsumfang auf einer Bezahlkarte selbstständig und unabhängig verfügen können. • Bezahlungen online möglich sind, • Keine Diskriminierung durch das Design einer Karte entsteht, die Geflüchtete in jeder Bezahlsituation erkennbar macht und dadurch ein hohes Stigmatisierungspotential birgt. • Das Konzept der Bezahlkarte nicht auf weitere Personengruppen ausgeweitet wird Für ein menschenrechtsbasiertes gemeinsames europäisches Asylsystem Zu den Grundwerten der Grünen gehört ein klares Bekenntnis zu Europa. Europa ist stark und handlungsfähig, wenn es zusammen steht, solidarisch ist und seine Werte selbstbewusst vertritt – nach Innen und nach Außen. Abschottung ist für uns keine Option – weder in Schleswig-Holstein noch an Europas Außengrenzen. Die großen Aufgaben unserer Zeit müssen grenzüberschreitend und europäisch angegangen werden. Das gilt insbesondere auch für das Handlungsfeld Flucht und Migration. Wir setzen uns deshalb für ein gemeinsames europäisches Asylsystem ein, das antirassistisch, menschenrechtsbasiert und lösungsorientiert ist und das individuelle Recht auf Asyl wahrt. Wir sehen mit großer Sorge, dass weiter Haftlager mit menschenunwürdigen Bedingungen an den Außengrenzen entstehen und auch vulnerable Menschen in diesen inhaftiert werden sollen. So ist z.B. nicht sichergestellt, dass Menschen mit Behinderungen eine Unterbringung entsprechend ihrer Bedürfnisse und entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention erhalten. Außerdem sind für das Festsetzen während des Screenings oder der sogenannten Grenzverfahren nicht einmal Ausnahmen für Familien mit Kindern vorgesehen. Viele Kinder werden durch die Reform monatelang inhaftiert werden, was der UN-Kinderrechtskonvention widerspricht. Grenzverfahren dürfen nicht dazu führen, dass weitere Haftlager mit Zuständen wie in Moria an den Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden verletzen. Zudem befürchten wir, dass es durch die Umsetzung der Screening-Verordnung vermehrt zu Racial Profiling kommt, da alle EU-Mitgliedsstaaten nicht nur an den Grenzen, sondern auch auf ihrem Hoheitsgebiet zu systematischen Screenings verpflichtet werden. Dies würde sowohl Geflüchtete als auch von Rassismus betroffene EU-Bürger*innen und bereits hier lebende Menschen treffen. Im „Krisenfall“ oder im Fall einer “Instrumentalisierung” können Rechte von Schutzsuchenden noch weiter beschränkt werden. Die vorgesehene Krisenverordnung gibt EU-Staaten die Möglichkeit, Asylsuchenden temporär den Zugang zum EU- Asylsystem zu verweigern, unabhängig davon, aus welchem Land diese geflohen sind und welche Asylgründe sie angeben. Das lehnen wir ab. Wir Grüne in Schleswig- Holstein kritisieren diese Reform. Damit stellen wir uns geschlossen hinter die Position unserer grünen Europafraktion, die im Innenausschuss die zentralen Rechtsakte des neuen GEAS-Reformpakets abgelehnt hat. Asylrechtsverschärfungen haben in der Vergangenheit vielerorts die Probleme erst geschaffen, das wir jetzt sehen. Nichtsdestotrotz setzen wir uns nun konstruktiv uns für eine möglichst vernünftige und möglichst menschenwürdige Umsetzung der Rechtsakte ein. Außerdem gilt es nun umso mehr, so viele Spielräume wie möglich für Verbesserungen im Sinne der geflüchteten Menschen bei der nationalen Umsetzung zu nutzen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete sowie die Auslagerung von Asylverfahren lehnen wir entschieden ab. Staaten, in denen Minderheiten verfolgt werden, sind nicht sicher. So ist es insbesondere notwendig, den Status von Ghana und Senegal als „sichere Herkunftsstaaten“ zu hinterfragen. LGBTIQ* Personen werden in beiden Staaten strafrechtlich verfolgt, kriminalisiert und diskriminiert. Zudem ist durch die gesetzliche Verfolgung auch die Gefahr für Gewalt durch nicht staatliche Akteur*innen groß. Die Situation für LGBTIQ*-Personen und Ihre Unterstützer*innen in Ghana hat sich durch den Gesetzbeschluss dieses Jahr noch einmal verschlechtert. Wir Grüne sind solidarisch mit allen LGBTIQ* und FLINTA*- Personen auf der Flucht. Seenotrettung stärken Sowohl die zivile und staatliche Seenotrettung wollen wir stärken, besser koordinieren und ausreichend finanzieren und lehnen Kriminalisierungsversuche ab. Das Sterben im Mittelmeer muss beendet werden. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass eine staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer angestrebt wird. Wir nehmen dahingehend mit Sorge zur Kenntnis, dass durch eine Gesetzeslücke im zuletzt durch den Bundestag beschlossenen Rückführungsverbesserungsgesetz die Seenotrettung von minderjährigen Geflüchteten und humanitäre Hilfe auf dem Land kriminalisiert werden kann. Die Regierungskoalition im Bund muss hier Klarheit schaffen und dieses Einfallstor für Kriminalisierung schnell wieder schließen. Wir Grüne in Schleswig-Holstein appellieren deshalb an unsere politischen Verantwortungsträger*innen, sich dafür in der Koalition einzusetzen. Die Zusammenarbeit der EU-Kommission und anderen EU-Staaten mit gewalttätigen Milizen wie der sogenannten libyschen Küstenwache muss beendet werden. Wir fordern, dass die EU die Einhaltung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Verfahren flächendeckend überwacht und Verstöße wie Pushbacks und andere Gewalt gegen Schutzsuchende konsequent sanktioniert werden.