Equal-Care: Fürsorge-Arbeit gerecht verteilen

Viele haben schon einmal von der Gender-Pay-Gap gehört, also der Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen. Im Schnitt sind die Brutto-Arbeitslöhne von Frauen 21 Prozent geringer als die von Männern. Weniger bekannt ist die sogenannte Gender-Care-Gap: Frauen leisten nämlich 52 Prozent mehr Care-Arbeit als Männer, also die Arbeiten, die im Haushalt, bei der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen anfallen. Durchschnittlich 4,5 Stunden täglich arbeiten Frauen also kostenlos – das sind über 1600 Stunden unbezahlte Care-Arbeit im Jahr.

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Kinder kosten Frauen 61 % des Gehalts

Gender-Pay- und Gender-Care-Gap hängen unmittelbar miteinander zusammen. Bei Frauen macht die unbezahlte Arbeit laut Hans Böckler-Stiftung 45 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit aus, bei Männern hingegen sind es nur 28 Prozent. Um den Balanceakt zwischen Familie und bezahlter Arbeit zu schaffen, entscheiden sich rund die Hälfte der Frauen für einen Teilzeitjob und flexiblere Teilzeitjobs sind aktuell leider immer noch häufiger im Niedriglohnsektor zu finden. Ein Teufelskreis mit Auswirkungen: Über das gesamte Leben gerechnet, erzielen Frauen in Deutschland aktuell 49 Prozent weniger Einkommen als Männer. Entscheidend ist hierbei immer noch die Geburt des ersten Kindes: Mütter nehmen länger Elternzeit als Väter und gehen danach oft in Teilzeit, was vor allem auf lange Sicht zu starken finanziellen Einbußen führt, denn: Auch die Rente von Frauen ist im Schnitt 53 Prozent geringer als die von Männern.


Fürsorge-Arbeit gerecht verteilen: Was wir fordern


Familiensplitting statt Ehegattensplitting

Das existierende Ehegattensplitting halten wir für nicht zielführend. Zwar ist der dahinterstehende Gedanke, dass Menschen, die zusammen leben auch gemeinsam besteuert werden, richtig, entspricht aber in seiner jetzigen Form kaum aktuellen Lebensrealitäten. Wer Kinder großzieht, leistet einen gewaltigen Beitrag zu unserer Gesellschaft – das muss honoriert werden. Aber auch, wer erwachsene Angehörige im eigenen Haushalt pflegt, sollte für die Pflege dieser Personen einen Steuervorteil genießen. Unser Vorschlag: Alle in einem Haushalt lebenden Personen, also neben Eltern auch Kinder und zu pflegende Angehörige, werden gemeinsam steuerlich veranlagt.

Reduzierung der Regelarbeitszeit

Wir möchten, dass der Begriff „Vollzeitarbeit“ überdacht wird, denn wir fassen den Begriff der Arbeit weiter und verstehen darunter nicht nur klassische Erwerbsarbeit. Wer tätig ist, arbeitet – ob mit oder ohne Geldverdienst. Auch Care-Arbeit wie Wäsche waschen, einkaufen und Kinderbetreuung ist Arbeit. Die Beurteilung menschlicher Leistungen, die nur an wirtschaftlicher Produktivität gemessen wird, müssen wir aufbrechen.

Um neben der Lohnarbeit die anfallende Care-Arbeit zu schaffen, wünschen sich die meisten Arbeitnehmer*innen – gerade die mit Kindern – eine Wochenarbeitszeit von 30-35 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Gute Beispiele, wie das fuktionieren kann, finden wir z.B. Norwegen. Hier gibt es ein anderes Verständnis von „Vollzeitarbeit“, was zu mehr Zufriedenheit und mehr Zeit für sich selbst und für die Familie führt. Durch dieses neue Verständnis, dass ein regulärer Arbeitstag sieben Stunden hat, wird viel Druck von den Erziehenden genommen.

Gerechter verteilte Elternzeit, um gar nicht erst in den Kreislauf der Care-Gap zu kommen

Wir setzen uns für eine Weiterentwicklung des Elterngeldes ein, sodass es mehr Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit gibt. Fehlanreize durch die die schlechter verdienende Person (in der Regel Frauen) mehr Familienarbeit übernimmt, müssen abgebaut werden. Dazu zählen zum Beispiel Ehegatt*innensplitting, die Steuerklassen 3 und 5, Betreuungsgeld, Minijobs und die Mitversicherung – meist von Frauen – in der Krankenversicherung – meist des Mannes. Wir wollen eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen, die Selbstbestimmung möglich macht und sicherstellt, dass sie nicht in der Altersarmut landen.

Derzeit gibt es mit dem Elterngeld die Möglichkeit, dass Eltern die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder für eine gewisse Zeit komplett oder in Teilzeit übernehmen wollen, pro Kind bis zu drei Jahre in Elternzeit gehen können und währenddessen Kündigungsschutz genießen. Das Elterngeld wiederum wird für max. 14 Monate gezahlt, wovon max. 12 Monate auf ein Elternteil entfallen dürfen. Die Regelung führt in der Realität momentan dazu, dass Mütter häufig 12 Monate und Väter lediglich zwei Monate in Anspruch nehmen. Das sogenannte Elterngeld Plus weist zwar in die richtige Richtung, reicht aber bei Weitem nicht aus.

Wir wollen die Elterngeldzeit von den bestehenden 12+2 Monaten auf insgesamt 12+12 Monate bei zwei Elternteilen erweitern, die zeitlich flexibel beantragt werden können – also nicht an einem Stück genommen werden müssen und unterschiedliche Kombinationen der Monate erlauben. Das Elterngeld Plus wollen wir ebenfalls entsprechend verlängern. Außerdem soll der bestehende Mindestbetrag auf 1000 Euro pro Monat angehoben werden. Wenn alle/beide Partner*innen die Elternzeit gerecht unter sich aufteilen, werden die 1000 Euro auf 1200 Euro erhöht, um Anreize für die partner*innenschaftlliche Kinderbetreuung zu schaffen. Das soll dazu führen, dass vermehrt Väter Verantwortung für die Kinder übernehmen. Für Alleinerziehende muss bei dem Elterngeld automatisch die Untergrenze von 1200 Euro gelten,  über das sie die kompletten 24 Monate frei verfügen können.

Eine Kinderbetreuung, die heutigen Realitäten entspricht

KiTas sind Orte der Bildung für unsere Kleinsten. Sie dienen aber auch den Eltern als verlässliche Betreuungen. Die Zeiten in denen eine Kinderbetreuung von 9 bis 12 Uhr für Eltern interessant ist, sind längst vorbei. Längere Öffnungszeiten und Flexibilität ist für viele Eltern, gerade Alleinerziehende und Menschen mit Berufen in der Pflege, dem Blaulichtbereich, im Einzelhandel, in der Gastronomie, im Schichtdienst etc. besonders wichtig.

Durch ein Abweichen von starren Betreuungszeiten schaffen wir Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder gut betreut zu wissen und guten Gewissens und mit Freude arbeiten zu gehen.
Dazu fordern wir mehr Möglichkeiten KiTas auch am Abend, frühen Morgen, am Wochenende oder bei gelegentlichem Bedarf über Nacht zu öffnen. Erfahrungen in sogenannten 24h-KiTas zeigen übrigens, dass die Kinder dort im Schnitt etwa gleich viele Stunden pro Tag verbringen, wie in anderen KiTas. Die Zeit außerhalb der KiTa ist dann für Eltern und Kinder wirklich Familienzeit.

Eine Rente, von der Frau gut leben kann.

Frauen haben in Ihrem Lebenslauf, durch die häufige Teilzeit und unbezahlte Care-Arbeit, ein niedrigeres Einkommen. Dies führt zu niedrigeren eigenständigen Alterssicherungsansprüchen. Um Altersarmut bei Frauen zu verhindern, muss Erwerb beim Rentenanspruch neu gedacht werden. Wir wollen eine „Garantierente“ einführen, die Altersarmut verhindert: Langjährig Versicherte, also Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet haben, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt haben, sollen im Alter eine Rente erhalten, die oberhalb der Grundsicherung liegt – ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Anrechnung von betrieblicher und privater Altersvorsorge.

Eine finanzielle Aufwertung von Care-Berufen

Wir fordern eine finanzielle Aufwertung von Care-Berufen, damit diese für alle Geschlechter attraktiver werden. In den Bereichen soziale Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit, Pflege und Erziehung arbeiten aktuell bis zu 80 Prozent Frauen. Diese Frauen sind Stützen und Vorbilder unserer Gesellschaft. Wir vertrauen ihnen unsere Kinder oder Eltern an: Ihre Verantwortung ist groß, doch ihr Gehalt und ihre Mitsprache viel zu gering – gerade weil es sich um „typische Frauenberufe“ handelt. Es ist Zeit für Anerkennung, gerechte Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen.

Pflegegeld bei Pflege von Angehörigen

Für Eltern gibt es Elterngeld, für Erwachsene, die ihre Eltern pflegen wollen (oder müssen) jedoch nur ein Übergangsgeld von drei Monaten. Spätestens nach diesen drei Monaten muss eine Betreuung geregelt sein. Wer danach die Betreuung und Pflege selbst übernehmen kann oder möchte, soll in dieser Zeit der beruflichen Einschränkung ein Pflegegeld ähnlich dem Elterngeld bekommen. Selbstverständlich müssen dadurch auch Rentenansprüche entstehen.

Mehr Kinderbetreuungstage bei Krankheit

Im Krankheitsfall müssen Kinder zu Hause betreut werden. Für viele berufstätige Eltern bedeutet das extremen Stress. Aktuell besteht für jedes Elternteil pro Kind ein Anspruch auf zehn Kinderkrankentage im Jahr, wenn die Kinder das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (max. 25 Tage bei weiteren Kindern). Unsere Abgeordneten haben gemeinsam mit CDU, SPD, FDP und SSW im Landtag eine Neuregelung des Krankengeldes bei Erkrankung des Kindes beantragt. So soll das Krankengeld für erkrankte Kinder nicht nur bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres, sondern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres gezahlt werden.